· 

So viele erste Male

Freitag war ich abends schon sehr gespannt, wie denn so ein Shabbat in Israel aussieht. Liegt wirklich der Verkehr lahm? Sieht man eine Horde von Menschen zur Synagoge laufen? Letztendlich war es nicht allzu spektakulär in Rishon, in Jerusalem ist das was ganz anderes... Die Läden haben um 12 Uhr oder 14 Uhr geschlossen und im Stadtzentrum, was sonst total lebendig mit allerlei Straßenständen ist, herrschte Leere. Von meinem Lieblingsplatz in der Wohnung aus, der Couch direkt am Fenster/Balkon, sah man einige typisch gekleidete Männer zur nahe gelegenen Synagoge gehen: Lange schwarze Hose, Hemd, langer schwarzer Mantel, Bart, Löckchen und Hut. Um 19 Uhr spielte irgendeine Familie in der Straße sehr laut das Lied "Shalom aleichem" (Peace may be upon you) - wir hatten das Fenster offen und wurden schon irgendwie in diese geruhsame Shabbatstimmung versetzt. Man kann das gar nicht mit dem Läuten der Kirchenglocken in Deutschland vergleichen, Shabbat bedeutet hier wesentlich mehr.

Trotzdem haben noch einige kleine Kiosks und Obstläden offen und die Autos machen immer noch einen ziemlichen Lärm draußen, bloß Busse fahren nicht mehr.

 

Am nächsten Tag haben wir noch Cookies für unsere Nachbarn zur Begrüßung gebacken und ich habe zum ersten Mal mein Fahrrad ausgeführt. Ich wollte den Weg zum Krankenhaus mal auskundschaften und merkte schnell, dass mein Fahrrad auf jeden Fall sehr nützlich ist, aber nicht der israelischen Standardausführung entspricht. Man sieht hier eigentlich nur diese motorisierten Hipster-Fahrräder, auf welchen man schnell und ohne Schwitzen durch die Straßen düst. Mein Fahrrad besitzt keine Gangschaltung, ist etwas zu klein für mich und würde in Deutschland als Asyli-Fahrrad durchgehen - aber ich mag es. Bei einem beständigen Auf und Ab kam ich schon ziemlich ins Schwitzen, aber ich wollte ja schließlich Sport machen. Am Ortsausgang kam ich dann aber ins Stocken... Es sah nach einem Zaun mit Checkpoints aus, ich stieg ab und rollte langsam mein Fahrrad etwas näher. Ich wusste nicht, wo ich gelandet war und warum die Straße versperrt ist. Soldaten mit Maschinengewehren - ich wusste wirklich nicht, ob ich auf der Stelle kehrt machen soll und schnell abhaue vor Angst oder mich weiter annähern soll. Die beiden Soldaten waren ungefähr so alt wie ich und haben vorsichtig "slicha?" (Entschuldigung?) gefragt - dann habe ich mich schließlich getraut und gefragt, was denn mit der Straße sei. Offensichtlich wollte mich meine Verkehrsapp (moovit) durch eine military base schicken...

In Israel muss man sich an sowas anscheinend gewöhnen und auch verstehen, dass es völlig normal ist Soldaten zu sehen. Es geht absolut keine Gefahr von ihnen aus und man kann auch ganz normal und freundlich reden, also keine Berührungsängste!

Irgendwie bin ich doch noch zum Krankenhaus gekommen und musste dafür circa 3 Minuten auf dem Highway mit meinem Fahrrad fahren, auch das ist in Israel nicht so unüblich. Wenn man nach Be'er Yakov abbiegt, wo dann auch das Krankenhaus liegt, muss man nochmal durch Straßencheckpoints und erklären, warum man jetzt dorthin will - typisch Israel...

Ansonsten ist es wirklich schön, hier mit dem Fahrrad zu fahren, weil es einige gut ausgebaute Radwege gibt und auch die Bürgersteige breit genug sind. Auf den stark befahrenen Straßen ist es meines Erachtens nach bei dem israelischen Fahrstil sicherer auf den Gehwegen zu bleiben...

 

Mein letzter freier Tag! Ich wollte am Montag dann noch einiges erledigen, doch es lief nicht wie geplant. Eigentlich wolle ich ein Bankkonto hier eröffnen, um mir Transfergebühren zu sparen und leichter Überweisungen (wie zum Beispiel für einen Vertrag im Tanzstudio) vornehmen zu können. In Rishon hat man mich bei der Bank dann nach Tel Aviv geschickt und dort durfte ich erfahren, dass die diese Bank für mich kein Konto aufmachen kann - toll. Wenigstens habe ich dann noch ein bisschen was von Tel Aviv gesehen: Der Busbahnhof an der Levinsky Street ist riesig und man kriegt da fast alles, aber vor allem günstige Kleidung. In der Allenby Street findet man auch wieder alle möglichen Nationalitäten vertreten: ein Laden für traditionell äthiopische Bekleidung neben einem Geschäft für jüdische Kopftücher. Kleine Geschäfte in Israel erscheinen für das deutsche Auge als nebeneinander gequetscht, es ist unordentlich und alles übereinander gestapelt - das Chaos funktioniert aber.

Abends ging ich dann noch zu meiner ersten Tanzstunde in Rishon und es war schon komisch mit anderen Leuten und in einem unbekannten Saal zu tanzen. Trotzdem hat es total Spaß gemacht und ich wurde mal wieder sehr herzlich aufgenommen.

 

Die große Offenbarung am Montag - mein Arbeitsplatz. Um 9 Uhr sollten wir da sein und dann musste der Papierkram erledigt werden, Lisa hatte leider ihren Reisepass vergessen und irgendwie waren Ninas Papiere nicht da - also haben vorerst nur drei von uns gearbeitet. Unser Beauftragter im Krankenhaus - Meir - spricht etwas Deutsch und verteilte uns auf die Stationen. Ich bin auf der "Inneren Station" und wurde total lieb aufgenommen, gedrückt und an der Hand durch die Gänge gezogen. Es gibt auch eine Tutorin, die mir alles gezeigt hat und bei Problemen auch immer auf Englisch übersetzt. Auf der Station sprechen nur ein paar Leute Englisch, aber es geht schon mit Händen und Füßen (und Google Translator). Ich habe noch nicht wirklich viel gemacht, meine Arbeitskleidung geholt, etwas beim Aufräumen geholfen und ich war natürlich in der Kantine essen - israelisches Essen soweit das Auge reicht! Ein Traum ;)

Um 15 Uhr war die Schicht vorbei und ich ruhte mich kurz zuhause aus. Es ist komisch, dass ich zu unserer WG mittlerweile schon "zuhause" sagen kann, der Gedanke fühlt sich aber gar nicht falsch an - es wird bloß erst langsam real, dass ich hier für ein Jahr lebe.

Abends dann wieder zum Tanzen - diesmal das Studio direkt um die Ecke in der Rothschild Mall. Es war unglaublich und die Jazz Class hat mich gekillt, sowas habe ich noch nie gemacht! Abends bin ich ins Bett gekippt...

 

Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker und um 6 Uhr bin ich auf meinem Rad unterwegs zur Arbeit. Ich durfte schon sehr viel mehr machen, vor allem weil meine neue Kollegin Lilach gut Englisch spricht und mir viel erklärt hat. In der Früh haben wir die Betten gesäubert, Patienten umgelagert und geputzt etc... Ich wusste nicht wie ich mit pflegebedürftigen und auch teilweise hilflosen Leuten umgehen soll. Sobald man aber jemanden einmal komplett entblößt beim Windelnwechseln gesehen hat, fallen die Hemmungen. Man fühlt auch mit allen Leuten auf der Station mit, wenn sie Schmerzen haben und uns, dem Pflegepersonal, in beschämenden Situationen ausgeliefert sind. Die Arbeit macht mir aber wirklich Spaß und ich will gerne noch mehr lernen. Nichtsdestoweniger darf man nicht vergessen, dass es ein Knochenjob ist und auf den Rücken geht und dass man ohne Hebräisch praktisch keine Chance hat. Auf meinem kleinen Block schreibe ich jedes neue Wort mit und Frage meine Kollegen auch oft, so sollte ich die Arbeitsbegriffe relativ schnell lernen. :)

 

Erste Male sind spannend und lehrreich, man nimmt viel mit und entdeckt sich selber neu. All das ist Teil meines persönlichen "Abenteuers Israel" und ich kann es kaum erwarten, noch mehr von diesen ersten Malen zu haben!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0