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Europäisches Erbe und arabische Realität

Zu einer sehr unchristlichen Stunde - um 5 Uhr morgens - schwang ich mich auf's Fahrrad und fuhr zum Bahnhof in Rishon. Ich wollte möglichst früh in Akko sein, um all das anschauen zu können, was ich will. Mit den insgesamt drei verschiedenen Zügen hat zum Glück alles geklappt und hier war sogar einmal die Busroute nach Akko wesentlich teurer. Normalerweise reist man nämlich in Israel immer billiger mit den Egged-Bussen, doch mit hat das Ticke für die zweieinhalb Stunden Zugfahrt nur 47 Shekel (ca. 11,50€) gekostet. Vom Bahnhof in Akko kann man auch sehr gut in die Altstadt hineinlaufen, welche zu 95% arabisch ist.

 

Man sieht schon gleich die alte Stadtmauer und die verwinkelten Straßen. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl so wirklich im Nahen Osten zu sein!

Akko blickt auf eine äußerst lange Geschichte zurück: Seit dem 15. Jahrhundert v.Chr. ist die Stadt in der Geschichtsschreibung bekannt, später von Alexander dem Großen besetzt und für die Ptolemäer eine wichtige Handelsstadt. Zwischendurch war Akko auch unter römischer Besatzung, dann wieder arabisch und schließlich im Mittelalter eine Stadt der Kreuzfahrer. Fast egal an welcher Stätte in Akko man ist, man bekommt immer sagenumwobene Geschichten von Al-Jazzar zu hören, der angeblich Akko gegen Napoleon verteidigt hat und somit ein Lokalheld ist.

 

Wie dem auch sei... Ich stürzte mich gleich in die Stadtgeschichte mit der Besichtigung der Unterirdischen Kreuzfahrerstadt. Die frühere Burg liegt nämlich heute im Untergrund und kann über eine sehr gute geführte Audio-Tour besichtigt werden. Zu meiner Freude war das Museum wirklich ansprechend und genau mit der richtigen Menge an Information ausgestattet. Am besten holt man sich am Ticket-Schlater ein Kombi-Ticket, welches auch noch weitere Sehenswürdigkeiten in Akko beinhaltet.

Danach besichtigte ich gleich das Hammam al Pash, in welchem die Geschichte des Hammams und die des letzten Besitzers erzählt wird. Al Jazzar hat nämlich die Badehauskultur aus der Türkei "importieren" lassen und das neue Hammam in Akko zu einem Multizweck-Veranstaltungsort gemacht. Ob Entspannung nach dem Feierabend, Polterabende oder Hochzeiten - alles und jeder war im Hammam!

 

Mein Magen war seit dem Morgen leer und knurrte schon ziemlich - zum Glück gibt nahe am Eingang einen Falafelstand, wo ich eine wirklich große und gute Portion für nur 10 Shekel kriegen konnte!

Frisch gestärkt wollte ich mir dann die Moschee anschauen, welche die dritt bedeutendste Israels ist. Dann sprach mich plötzlich ein Israeli an, ob er mir nicht denn helfen könnte. Er schien mir aufgrund seines sehr offiziell aussehenden T-Shirts ein Tourist Guide zu sein und ich willigte gerne ein.

 Er konnte mir tatsächlich viel erzählen und wollte mir auch noch den Hafen zeigen. Ich fand es schon etwas komisch, aber vermutete einfach die große israelische Gastfreundlichkeit hinter seinem Angebot. Die Aussicht ist wirklich schön, doch dann wurde es komisch...

Hinter dem geschlossenen Tor an der Klippe führte noch ein kleiner Weg entlang und kurzerhand sprang er über das für mich viel zu hohe Geländer, nahm meinen Rucksack (Hilfe, da sind meine Wertsachen drin!) und lupfte mich drüber. Das war eindeutig zu viel Körperkontakt für mich und die Alarmglocken in meinem Kopf schlugen ganz laut. Er erzählte mir dann seine ganze Lebensgeschichte, dass er am liebsten bis zum Abend hier bleiben würde und ich gerne in seiner großen Wohnung schlafen könne, der er viel verdiene... Das war mir eindeutig zu viel und auch meinen Mitbewohnerinnen ist es schon häufiger so ähnlich mit Israelis gegangen. Da muss man einfach klipp und klar Stopp sagen und die Sache beenden. Ich wollte wieder zur Tourist Information zurück und er begleitete mich natürlich, dass ich mich nicht verlaufe. Auf dem Weg wollte er dann noch meine Telefonnummer und meine Adresse haben, zum Glück kannte ich mich dann wieder in Akko aus und verabschiedete mich rasch. Noch schnell in die andere Richtung laufen und endlich war ich aus dieser äußerst komischen Situation wieder raus! Es stellte sich dann übrigens heraus, dass er das Arbeitsshirt eines Hummus-Ladens trug...

 

 

Die Tour hatte mich etwas Zeit gekostet, doch das Okashi-Museum und das Museum zum Stadtmauerschatz sind weder äußerst groß noch äußerst interessant - kann man also auch guten Gewissens weglassen. Auf jeden Fall muss man aber auf der Stadtmauer entlang spazieren, weil die Aussicht fabelhaft ist.

Auch gibt es einen 350m-langen Tempelrittertunnel, der schon ziemlich cool ist. Sowas hätte ich in Israel nicht erwartet und so ein ganz ganz kleines bisschen hatte ich ein Indiana Jones-Gefühl dabei ;)

Der Hafen von Akko ist auch ziemlich belebt mit all den Booten, Ständen und Fischern. Ich hätte auch wirklich nicht gedacht, dass man tatsächlich so gut bis nach Haifa sehen kann! An der westlichen Hafenpromenade kann ich auf jeden Fall noch einen Eisladen empfehlen: Ganz unscheinbar und klein, aber das hausgemachte Eis der jungen Mutter war wirklich super lecker! Ich hatte Orange (man schmeckt, dass es israelische Orangen sind) und Kardamom - willkommen in NahOst!

Mit das schönste in Akko war für mich allerdings der Basar. Natürlich mal wieder alles eng und unsortiert, aber dafür umso authentischer. Gewürze, Kaffee, Kleidung, Obst, Gemüse, frischer Fisch und und und... Bei den ganzen Farben konnte ich meine Kamera gar nicht still halten! Und natürlich hat sich im Markt ein Hummus-Laden versteckt, welcher bei Einheimischen äußerst beliebt ist - das erkennt man an der sehr langen Schlange...

 

 

An einem Stand lachten mich dann noch arabische Süßigkeiten an, also Halva, Nüsse & Co. Man ist in Akko an Touristen gewöhnt und somit hat der Inhaber einige Sprachen ausprobiert und blieb plötzlich bei Deutsch hängen. Er erklärte mir, dass er schon 4 Mal in Bayern war und ein richtiger Deutschland-Fan ist. Nebenbei konnte ich noch verschiedene Süßigkeiten probieren und zum Glück waren sie nur halbsüß! Ich finde es auch sehr lecker, dass das meiste mit Honig und nicht (nur) mit Industriezucker gesüßt wird - da musste ich dann einfach etwas mitnehmen.

Etwas später kam ich an einer Konditorei vorbei und stellte mir einen kleinen Probierteller zusammen, mein Highlight war auf jeden Fall der sehr saftige und mantschige Mandelkuchen in Honig-Orangen-Sirup getränkt... yummy!

 

Ich spazierte dann bloß noch etwas durch die Stadt und machte mich um kurz nach 14 Uhr wieder Richtung Bahnhof auf. Abends wollte ich nämlich auf gar keinen Fall das Tanztraining verpassen - manche Sachen ändern sich glaube ich bei mir wirklich nicht mehr ;)

 

Akko ist für mich ein eigenartiges Zusammenspiel von der alten und noch an Gebäuden sichtbaren europäischen Kultur, dem aktuellen arabischen Leben und trotzdem noch der jüdischen Präsenz. Man wandert also zwischen Kreuzfahrermauern durch den arabischen Suk, fast alle Frauen tragen Kopftuch und Kaftan, alle Straßen sind auf arabisch angeschrieben und trotzdem stolpert man über Läden mit Judaica (religiöse jüdische Gegenstände). Sowas ist tatsächlich bloß in Israel möglich.

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