Ich bin wirklich froh, dass jetzt endlich die jüdische Freudenzeit vorbei ist. Es war etwas nervig, weil ich meine Wocheneinkäufe mit meinem begrenzten Kühlschrankfach schlecht planen konnte und auch der öffentliche Verkehr ziemlich eingeschränkt war. Ich entschied mich also dafür zu arbeiten - das ist wesentlich unproblematischer als irgendeine Reise zu organisieren. Die Israelis fahren nämlich auch selber sehr gerne zu dieser Jahreszeit weg (natürlich mit dem eigenen Auto) und Unterkünfte sind oft teuer oder ausgebucht, wie mir Arbeitskollegen erzählten.
Die Feiertage erkennt man im Krankenhaus immer an drei wesentlichen Sachen: Der Tag VOR dem Feiertag ist extrem anstrengend und stressig, weil alle Patienten geduscht/gewaschen werden müssen. Shabbat und andere jüdische Feiertage, welche meistens schon am Vorabend beginnen, begeht man normalerweise sauber und frisch gebadet - am Feiertage selber macht man das nicht mehr. In den Krankenhausfluren tummeln sich dann immer Familie und Freunde, um die besonderen Tage zusammen begehen zu können, und die Stimmung ist meistens sehr heiter. Außerdem gibt es immer noch Challah-Bread (wie ein koscherer Hefezopf) für die Patienten, die Übriggebliebenen dann für uns. :)
Die letzten Wochen waren also immer wieder von diesen speziellen Tagen aufgewühlt und deswegen konnte ich bis jetzt noch keinen richtigen Rhythmus finden. Das wird aber sicherlich bald!
Hier dann noch ein Überblick über die letzten beiden "Störenfriede" in meiner Einlebungsphase:
SUKKOT - DAS LAUBHÜTTENFEST
Zur Erinnerung des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten werden heute immer noch die traditionellen Laubhütten gebaut. Man findet sie vor jeder Synagoge, in fast allen Familiengärten, im Krankenhaus vor der Kantine und tatsächlich sogar auch aufgepimpt als Fortbewegungsmittel (das Video fand ich wirklich witzig).
Die Familie soll für eine Woche in der Sukkah leben: Essen, beieinander sitzen, schlafen, etc. Das dient dem Gedenken an das Vertrauen des Volkes Israel gegenüber Jahwe. Außerdem bilden die sogenannten 4 Arten einen wichtigen Bestandteil in der 7-Tage-Feier. Jeden Tag wird das Bündel aus Zitrusfrucht, Palmwedel, Myrtenzweigen und Weidenästen nach oben, unten, rechts, links, vorwärts und rückwärts geschüttelt. Diese vier Arten sollen die verschiedenen Gesinnungen der Kinder Israels, deren Unterschiedlichkeit und gleichzeitig Einigkeit darstellen.
Die ersten und letzten beiden Tage der Sukkot-Woche sind Feiertage, an denen Arbeiten verrichtet werden sollen. Stattdessen verbringt man Zeit mit der Familie und lässt das Alltagsleben beruhigt links liegen.
Der Festzyklus wird natürlich immer noch von Gottesdiensten und noch sehr viel mehr Bräuchen begleitet, aber die meisten meiner jüdischen Kollegen sind sehr liberal gesinnt und ich kenne mich nicht bis ins letzte Detail aus.
Eine Kollegin hat mich äußerst kurzfristig und spontan zum Sukkot-Dinner mit ihrer Familie in Ashdod (ca. 40 Minuten südlich von Rishon) eingeladen. Im Wintergarten der Großeltern haben die beiden kleinen Töchter eine Sukkah mit selbstgemachten Bildern und Schmuck dekoriert, im Garten stand der Essenstisch inmitten von Mango-, Papaya- und Zitronenbäumen und drei Generationen fanden am Tisch Platz. Man nahm sich Zeit, um mal wirklich miteinander zu reden und Zeit zusammen zu verbringen. Ich habe mich außerdem ziemlich über meinen Degistif gefreut: Endlich richtigen Kaffee! Also arabischen Kaffee und sogar noch mit Kardamom verfeinert. MMMMHH.....
SIMCHAT TORA
Das Fest der Torafreude feiert den Abschluss des Tora-Lesezyklus und wird über zwei Tage direkt nach Sukkot gefeiert.
Man feiert diesen besonderen Tag in der Synagoge mit einem siebenfachen Umzug mit allen Torarollen, es gibt Gesang und Tanz dazu und kleine Kinder schwenken Fahnen mit Toraabbildungen. Es werden sowohl das letzte als auch das erste Stück der Tora gelesen, dem damit betrauten Leser kommt also eine äußerst ehrenvolle Aufgabe zuteil. Üblicherweise werden auch noch die Kinder im Bar Mizvah-Alter für eine gemeinsame Lesung aufgerufen und mit Süßigkeiten beschenkt - dieser Trick funktioniert auch wirklich überall ;)
Eine Internet-Recherche verriet mir auch noch, dass in Israel normalerweise diese frohen Tage mit Musikkapellen und gemeinsamem Tanzen gefeiert werden. Durch die Arbeit im Krankenhaus habe ich davon wenig mitbekomme, aber im Park in Rishon war eine große Bühne aufgebaut, jeden Abend konnte man laute Musik hören und es gab auch eine kleine Open-Air-Disco.
Jetzt nimmt das Leben hier wieder seinen normalen Lauf bis Chanukka - vielleicht sollte ich mir noch eine Menora für mein Zimmer kaufen? Dann kann ich auch an jedem Tag ein Kerze anzünden und es wird noch etwas festlich im Dezember in der Wohnung.
Wenn ich schon keinen Adventskranz bei einer schönen Tasse Tee und in den Winterschal eingekuschelt im Allgäu anzünden kann...
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