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Then you have never seen a beautiful city...

Jerusalem war der Anfangs- und Endpunkt meiner Westbank-Tour und somit durfte ich die Stadt auf zwei ganz unterschiedliche Weisen erleben. In den ersten Tagen in Jerusalem war ich komplett hin und weg von der Atmosphäre: Die ganzen Pilger aller drei monotheistischen Religionen, die Altstadt mit dem großen Suk und verwinkelten Gassen und dieses gewisse Surren in der Luft. Ich war richtig begeistert von Jerusalem als dem heiligsten Ort des Judentums - sowohl Shabbatbeginn als auch Shabbatende sind dort mit all den traditionell gekleideten Juden äußerst beeindruckend. Als ich dann aber nach 2 Wochen in Palästina zurückgekehrt bin, war mir Jerusalem als Stadt irgendwie zu israelisch... Wenn man die ganzen Probleme der einfachen Leute und Familien mitkriegt und sich mit den ganzen Grenzkontrollen und Stacheldrahtzäunen rumschlägt, dann fiel es mir schwer Jerusalem so positiv wie am Anfang wahrzunehmen... Dieses Nebeneinander von Juden, Muslimen und Christen in der Altstadt, aber dann wieder die Übermacht der Juden im Alltagsleben finde ich erschlagend und extrem anstrengend. Für dieses komische Gefühl fällt es mir schwer angemessene Worte zu finden - das muss man selber erleben!

 

Nun aber zum touristischen Jerusalem: Natürlich habe ich als Power-Tourist so ziemlich alles abgeklappert an Sehenswürdigkeiten, das Problem ist nur, dass Jerusalem vor Museen und Sights überquillt! Das wichtigste kann man aber an ein bis zwei Tagen bewältigen, man sollte bloß auf die Öffnungszeiten achten: Im jüdischen Viertel ist alles von Freitagmittag bis Samstagabend zu, im muslimischen Viertel ist eigentlich immer irgendwas offen und im christlichen Viertel ist Sonntag einiges geschlossen oder Kirchen sind wegen der Gottesdienste schlecht zu besichtigen. Es gibt auch noch das armenische Viertel, aber da ist nicht viel zu sehen - Iced Coffee schnappen und einfach einmal durchlaufen reicht da.

DAS Must-See ist natürlich die Al-Aqsa-Mosche und der Felsendom auf dem Tempelberg. Am besten reiht man sich schon um 7 Uhr in die Schlange der Wartenden ein, da die Eintrittserlaubnis mit Security Check manchmal auch etwas willkürlich ist (Öffnungszeiten sind komisch und bei großen Massen wird der Tempelberg oft geschlossen). Eigentlich gibt es mehrere Zugänge, aber Nichtmuslimen steht nur das Tor auf der rechten Seite der Klagemauer zur Verfügung. Das frühe Aufstehen lohnt sich aber wirklich! Das Glitzern der goldenen Kuppel in der Morgensonne ist wunderschön und mit etwas Glück kriegt man noch tolle Fotos ohne große Touristenmassen. Die Al-Aqsa-Moschee ("Die Entfernteste") ist im Islam der Ort, an dem Mohammad in den Himmel ritt.

Aber auch für die Juden ist der Felsendom bedeutend: Im Judentum gilt er als Opferplatz für Abrahams Sohn und als Zentrum der Erde. Als normaler Tourist konnte ich beide Bauwerke nur von außen bestaunen, der Eintritt ist leider nur Muslimen gewährt...

Dann wäre da noch die Klagemauer... Auf Englisch "Western Wall", das weist auch auf die historisch-religiöse Bedeutung hin: Die Klagemauer ist die westliche Wand und der letzte Überreste des alten Tempels in Jerusalem. Es tummeln sich immer viele Gläubige und Touristen dort, aber am beeindruckendsten ist es definitiv an Shabbat. Ansonsten finden montags normalerweise Bar Mitzvahs statt. Es gibt einen Eingang für Männer und einen für Frauen, natürlich ist der für Männer sehenswerter... Man kann aber von außen über die kleine Absperrung drüberspähen. Alle sind komplett traditionell gekleidet, mit Tillit, Hut (bei Regen in eine Plastiktüte eingepackt - sieht sehr witzig aus), Gebetsriemen und Judenlocken. Am Shabbatabend fand auch eine Art Unterricht für die Jungs statt und alle haben im Chor Stücke der Thora zitiert. Ich bin fast jeden Tag an der Klagemauer vorbeigegangen, einerseits ist der Platz zu jeder Tageszeit interessant und andererseits gibt es einen Wasserspender mit sauberem Wasser - man muss ja als Volunteer Geld sparen. ;)

Nun aber ab ins christliche Viertel: Ein absolutes Must-Do für mich war die Via Dolorosa - an Ostern werde ich das aber nochmal machen. Auf dem Weg muss man sich immer zwischen betenden Pilgergruppen hindurchkämpfen, die auch oft ein großes Holzkreuz dabeihaben. Das Ende der Via Dolorosa ist dann die Grabeskirche - ich hatte echt große Erwartungen! Leider war die Kirche mal wieder sehr orthodox und überladen... Es tummelten sich Pilger, fielen zu Boden und küssten die ganzen heiligen Plätze: Der Golgotha-Fels, der Ablageplatz Jesu und das Heilige Grab. Beim ersten Mal war das Heilige Grab durch einen orthodoxen Gottesdienst versperrt, beim zweiten Mal waren mir zu viele Leute da, also aller guten Dinge sind drei: Ich habe auf den Abend gehofft, weil dann hoffentlich die ganzen Tagesausflügler weg sind - Satz mit X, war wohl nix. Alles gerappelt voll, also habe ich mich in die riesige Warteschlange eingereiht - ein einziges Drängeln und Schieben mit kaum Luft und das über 1,5 Stunden. War's das wert? Ich weiß es nicht so wirklich: Es ist irgendwie ein persönliches Muss für mich, aber man wird nur durchgehetzt und herumkommandiert nach dem Motto "Get in, touch it and go!". Nun gut, das kann jeder für sich entscheiden, ob man das macht oder nicht....

Östlich von der Altstadt befindet sich der Ölberg, von dem man noch einen schönen Ausblick auf die Altstadt hat. Entweder kann man mit Bus oder Taxi hochfahren oder etwas Morgensport treiben - mittags sollte man den Anstieg in der prallen Sonne vermeiden. Es gibt auch ein paar Sehenswürdigkeiten: Himmelfahrtskirche, Paternosterkirche (wunderbarer Garten!) mit den Vater-Unser-Tafeln in über 160 Sprachen, dem Garten Gethsemane (ziemlich klein) und der Kirche aller Nationen. Am Fuß des Berges befindet sich noch das Mariengrab, eine düstere Grotte und wieder orthodox - wem's gefällt...

Im jüdischen Viertel in der Altstadt gibt es einige Museen, die man besichtigen kann. Mein Tipp dafür ist des JTicket, womit man in 4 beliebige Sehenswürdigkeiten im Jewish Quarter für den Festpreis von 75 Shekeln reinkommt. Es lohnt sich tatsächlich, vor allem wenn man das Davidson Archaeological Center anschauen will (sonst ca. 30 Shekel). Ich habe mir das Burnt House (Info-Film zur Tempelzerstörung), die 4 sephardischen Synagogen, das Wohl-Museum, das Alone On The Walls Museum (Verteidigung des Viertels; für mich kostenlos) und die Hurva-Synagoge. Vor der Synagoge befindet sich eine Nachbildung der gestohlenen Menora des alten Tempels und ich konnte vom Frauenabteil noch das schöne neue Gebets- und Studienhaus anschauen. Ich fand dort sogar ein Thora-Kuscheltier für kleine Kinder, auf welche Ideen man kommen kann...

Ansonsten kann man sich auch noch das neue Jerusalem anschauen, besonders schön finde ich dort den Mahane-Yehuda-Market. Man kann einen kleinen Einkauf und Food-Tasting noch hinzufügen und mal das "normale" Leben in der heiligen Stadt erleben. Wenn man Zeit hat, dann kann man sich noch das Museum in der Davidszitadelle beim Jaffa Gate anschauen oder auch den Berg Zion mit dem Abendsmahlsaaal besichtigen. Es wird also bestimmt nicht langweilig in Jerusalem und ich werde noch ein paar Tagesausflüge dorthin machen: Yad Vashem, Herzl-Museum, Davidsstadt etc...

All in all ist Jerusalem als Stadt einzigartig und für mich sehr beeindruckend. Auf lange Zeit würde ich es dort aber nicht aushalten, weil ich den Konflikt als zu präsent empfinde. Bei den Kommunalwahlen letztens lag beispielsweise die Wahlbeteiligung bei ca. 35%, da die Araber in Ostjerusalem die Wahl boykottierten. Zusätzlich fühle ich mich im liberalen Tel Aviv im Alltagsleben deutlich wohler, man muss nicht auf Kleidungsvorschriften achten und äußerst orthodoxe Traditionen berücksichtigen - dort bin ich einfach freier.

"Whoever did not see Jerusalem in its days of glory, never saw a beautiful city in their life."

"Ten measures descended to the world, nine were taken by Jerusalem."

[Talmud]

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