Bethlehem muss man auf alle Fälle gesehen haben, das steht nicht zur Debatte. Allerdings muss man seine Erwartungen runterschrauben und zudem sollte man auch nicht zu viel Zeit dafür einplanen. Ich habe es als Halbtagesausflug von Jerusalem aus gemacht und das hat für das Wichtigste auch gereicht. Ich persönlich würde empfehlen einen Bus von der arabischen Busstation am Damaskus Gate zum Checkpoint 300 zu nehmen. Direkt vor der Mauer wird man dann herausgelassen und geht durch ein Drehkreuz. Keine Kontrolle, kein gar nichts und schwuppdiwupp ist man in der Westbank. Kaum dass ich wenige Meter gelaufen bin, werde ich schon von Taxifahrern belagert, die mich einene ganzen Tag herumfahren wollen... Das kann man natürlich in Betracht ziehen, aber ich will Geld sparen und laufe gerne. Von dort aus kann man an der Wand entlang gehen und die vielen Graffitis bestaunen. Nach ein paar Minuten trifft man auf einen Bansky Shop, der verschiedene Artikel mit Wall-Graffitis verkauft. Banskys berühmt Friedenstaube beschreibt finde ich ziemlich gut den Wunsch der meisten: Frieden für alle.
Mir wurde schon etwas komisch beim Anblick der großen Mauer. Als Deutsche kenne ich sowas nur aus Berlin, doch da handelt es sich um ein größtenteils verfallenes Relikt schlechter Zeiten. Die Mauer bei Bethlehem ist aber völlig intakt.
Ich bin auf dem Weg zur Stadtmitte auch noch über ein Konversationszentrum für den palästinensischen Frieden gestolpert. Dort kann jeder hinkommen und sich bei einer Tasse Kaffee über die aktuelle Lage informieren. Ich hatte leider keine Zeit, weil ich meine Touri-Liste abarbeiten wollte.
Man kann auf jeden Fall zu Fuß laufen, aber die Aussicht bietet meistens vermüllte Straßen und halbfertige (oder verfallene?) Häuser, zudem ist es ziemlich hügelig und somit etwas anstrengend. In der Altstadt angekommen suchte ich mir zuerst mal was zu essen - mein Magen verlangt nach leckerem palästinensischen Spezialitäten! Ich kann auf jeden Fall Afteem empfehlen. Direkt neben der Geburtskirche gelegen und mit leckerem Fatteh (suppiger Hummus mit Kräutern) eine ideale Mittagspause. Die Stärkung hatte ich auch nötig, weil ich danach in der Geburtskirche für die Geburtsgrotte mal wieder lange anstehen musste... Alle Leute haben sich wieder gedrängt und manchmal hatte ich kaum Luft zum atmen, es folgte der "Touch-Kiss-Go"-Befehl des orthodoxen Priesters und man kann gar nicht die Aura dieses Ortes spüren (geschweige denn genießen). Ich hoffe immer noch auf Weihnachten, natürlich wird es auch dann wieder touristisch sein, aber der Weihnachtsfriede lässt hoffentlich alles gemächlicher werden...
Fun Fact: Die Verwaltung der Geburtskirche ist natürlich umkämpft, im Moment behält die Orthodoxe Kirche die Vorherrschaft. Trotzdem musste sich mit den anderen zu einem Kompromiss kommen: Die Grottenlaternen werden nämlich aufgeteilt, 6 sind orthodox, 5 armenisch und 4 katholisch.
Ansonsten sollte man sich auf jeden Fall noch die Katherinenkirche anschauen, die fand ich wesentlich einladender (vielleicht weil sie katholisch ist) und hier findet auch immer die weltweite Übertragung der Weihnachtsmesse statt.
Andere Attraktionen wie die Milchgrotte und die Umar-Moschee sind zwar ganz nett, aber nicht weltbewegend wichtig.
Allerdings würde ich das Museum Alt-Bethlehem empfehlen. Es befindet sich in der Nähe des Suk und ist gut ausgeschildert. Ich war zu der Zeit die einzige Besucherin und eine Mitarbeiterin (leider eher uninteressiert) öffnete die Museumsräume für mich. Dort sah man die klassische Küchen- und Wohnausstattung und bekam so einen Einblick in das traditionelle Leben der Palästinenser. Später schaute ich mir noch den Shop mit handbestickten Produkten an. Die Stickerei hat eine lange Tradition in Palästina und heute verdienen sich noch Mütter und Studentinnen ein paar Shekel dazu. Alles von Schlüsselanhängern über Kissenbezüge bis zu Kleidern wird bestickt. Die ältere Mitarbeiterin zeigte mir (in gutem Englisch) alles äußerst begeistert und wir hatten einen netten Small-Talk. Ich war wirklich überrascht, dass sie so positiv auf mich - als Volontär in Israel - reagierte: Hauptsache Menschen helfen und beim Reisen Menschen kennen lernen, das zählt!
Wenn man Glück hat, kann man dann nur wenige Schritte vom Museum entfernt einen Blick in die syrische Kirche wagen. Ein Mitarbeiter sitzt (manchmal) vorne draußen und sperrt für einen auf. Ein paar Familienmitglieder von ihm sind sogar nach Deutschland ausgewandert und er verabschiedete mich dann mit einem herzlichen "Auf Wiedersehen!".
Den Shuk in Bethlehem fand ich irgendwie nicht so einladend und mir wurden dann auch die ganzen Anmachen der Händler etwas zu viel: "Hey, Miss! I love you! Come here, I have shop!"
Ich zog dann also zu Fuß zu den Shepherd's Fields, die sind etwas außerhalb von Bethlehem gelegen, aber trotzdem (mit Durchhaltevermögen) zu Fuß erreichbar. Die Straßenverhältnisse waren natürlich dürftig und dieser erste Einblick in den Alltag der Palästinenser schockierte mich irgendwie. Kein Geld für Straßenerneuerung und Müllentsorgung...
Endlich am ausgeschilderten Shepherd's Field angekommen durfte ich eine Überraschung erleben: Orthodox und geschlossen. Ein Mann am Straßenrand verriet mir aber, dass das katholische Shepherd's Field sich gleich in der Nähe befindet. Es war schon später Nachmittag und so bin ich also zügigen Schrittes zu der in Google Maps ausgeschilderten Kirche gegangen: Bingo! Ich war richtig und befand mich wieder zwischen Pilgergruppen und konnte den schönen Ausblick genießen. Irgendwie kann man sich diesen Ort schon ziemlich gut als Schlafplatz der biblischen Hirten vorstellen... Den Ausblick auf die Landschaft, die so anders ist als in der Tel-Aviv-Region, fand ich atemberaubend.
Es war 17 Uhr und ich hatte alles gesehen, was ich sehen wollte. Man könnte natürlich noch das Herodium oder das Mar Saba Kloster (Zutritt nur für Männer!) besichtigen, aber dafür braucht man einen Taxifahrer - das nächste Mal also.
Auf dem Weg zur Busstation Bab alz-Qaq kaufte ich noch mein Abendessen, wichtiger Tipp: In Palästina Essen kaufen! Für 5 Shekel habe ich 500g Joghurt gekriegt, in Israel würde es wahrscheinlich dreimal so viel kosten.
Ich wollte nach dem anstrengend Tag nur noch zurück ins Hostel nach Jerusalem, doch die Bussituation stresste mich ziemlich. In Palästina läuft das alles etwas ungeordnet... Bushaltestellen sind nicht wirklich ausgeschrieben und die Busse können alles von Mini-Vans bis zu Reisebussen sein. Zum Glück sind die Einheimischen nett und führen einen zum Bus. Next step: Grenzüberquerung. Als Reisender ist es äußerst nervig und beim ersten Mal weiß man nicht, was passiert. Letztendlich läuft das alles sehr entspannt ab: Alle Palästinenser müssen aussteigen (bloße Schikane) und die anderen brauche nur den Grenzsoldaten (voll bewaffnet natürlich, typisch Israel) ihren Pass zu zeigen. Diese schauen manchmal gar nicht wirklich hin und sind eher gelangweilt.
Bethlehem war also wirklich ein sehr verwirrender Tag für mich: Ein heiliger Ort ohne religiöse Aura, nur Touristenmaschinerie - konfliktgeladene Mauerzüge, friedlicher Blick über die Felder.
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