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My Area D

In Ramallah habe ich nur einen Tag verbracht, weil es wirklich nicht viel zu sehen gibt. Eigentlich ist Al-Bireh die ursprüngliche Stadt, Ramallah war früher nur ein kleines christliches Dorf. Anders als in anderen palästinensischen Städten gibt keine große Altstadt und keinen richtigen Shuk. Dafür aber eine große neue Fußgängerzone mit vielen hippen Läden, vielen Bars und gutem Essen. Man muss unbedingt zu Rukab's Ice Cream gehen, so eine Konsistenz habe ich noch nie gesehen:Das Eis ist irgendwas zwischen Ofenkäse und Knete, es schmeckte zwar etwas künstlich, aber hat sich gelohnt. Als Unterkunft kann ich auf jeden Fall das Area D Hostel empfehlen! Es ist eines der besten Hostels in denen ich jemals gewesen bin, die Einrichtung und Ausstattung ist durchdacht, das palästinensische Frühstück lecker und das Personal ist jung und umsorgt einen richtig. Dirket um die Ecke liegt auch ein gutes und sehr günstiges Restaurant (1.Stock), für ein ganzes Festmahl habe ich nur 25 Shekel bezahlt!!!

Das Must-See ist defintiv das Mausoleum des ehemaligen PLO-Anführers Yassir Arafat. Es gibt auch ein Museum dazu, das war nur leider geschlossen, als ich in Ramallah war (das nächste Mal also). Ich hätte mir in meinen kühnsten Träumen dieses Grabmal nicht so imposant und ausgetüftelt vorstellen können... Natürlich wieder vom Militär bewacht und von hohen Mauern eingezäunt, die Architektur ist aber das eigentliche Highlight:

  1. 75 Meter Weg führen zum Grab, jeder Meter für ein Lebensjahr von Yassir Arafat.
  2.  Das Grab ist in einem Würfel von 11x11 Metern angelegt, repräsentativ für seinen Todestag (11.11.2004).
  3. Wasser umgibt das Grab, da es als Schiff verstanden wird, das sich nach Jerusalem gerichtet ist. Dort wollte Arafat bestattet werden, das derzeitige Grab wird also nur als vorübergehen angesehen.
  4. Der ganze Bau zeigt nach Jerusalem und nachts strahlt ein Laser vom Minarett Richtung Jerusalem.
  5. Es wehen drei palästinensische Flaggen, da Arafat drei Bestattungen hatte: In Frankreich, Ägypten und Palästina.
  6. Jeder Steinsockel auf dem Gelände steht für eine arabische Siedlung zwischen Arafats Grab und Jerusalem.

Bei dem Anblick des Mausoleums ist mir irgendwie anders geworden... Normalerweise kommen hier neben Touristen viele Verehrer Arafats her, deren Sichtweise kann ich nur in wenigen Punkten verstehen. Man darf es eigentlich nicht so banalisieren, da der Konflikt viel zu komplex ist, aber es hat sich angefühlt, als ob man zum Grab eines Terroristen pilgern würde.

Ich habe mir noch das Mahmoud Darwish Museum mitsamt Garten angeschaut, welches das Leben des bekannten Schriftstellers dokumentiert. Leider war die Ausstellung ausschließlich auf Arabisch, trotzdem ganz interessant - und der Garten mit dem Ausblick über Ramallah ist wirklich schön!

Das Ramallah Museum in der Nähe der Altstadt ist wirklich nicht sehenswert... Eigentlich wollte ich noch in das Dar Zahran Heritage Center, das auf Tripadvisor ziemlich gehypt wird. Leider war auch das geschlossen, da die Inhaber gerade mit der Olivenernte beschäftigt sind... Ich bin dann nur noch etwas durch die Altstadt geschlendert, aber auch die hatte nicht viel zu bieten.

Zurück im Hostel habe ich mich noch lange mit einer Amerikanerin unterhalten, die gerade für eine Uni-Arbeit über die Mexiko-Mauer jenseits der israelisch-palästinensischen Mauer Recherche betreibt. Es war sehr schön für mich, dass meine bisherigen Reiseerfahrungen für sie hilfreich waren. :) 

Zusammen sind wir dann noch zur Universität nach Al-Bireh gefahren, weil sich dort das Palestinian Museum befindet. Es gibt immer nur eine Ausstellung und die ist sogar noch kostenlos! Diesmal war es über die traditionelle Stickerei und Kleidung. Früher haben alle Mädchen schon als Kleinkinder das Sticken gelernt, sodass sie dann als erwachsene Frau ihr Hochzeitskleid sticken konnten. Junge Frauen trugen farbenfrohere Kleider, wohingegen ältere Frauen und Witwen dunkel gekleidet waren. Auch während der Nakhba war die Stickerei und die traditionelle Kleidung eine Art Protest - erstaunlich wie eine so einfache Alltagssache eine so große Kraft entfalten kann! Eigentlich ist das ja auch nur Frauenarbeit, aber die Männer im Gefängnis fingen auch irgendwann mit der Stickerei an - es ist Teil ihrer Identität.

Heutzutage ist nur noch wenig von Hand bestickt, da die maschinelle Produktion günstiger ist. Einige Studenten der Universität führen aber wieder regelmäßige Stickerei-Kurse ein und zwischen den Vorlesungen wird auch fleißig gestickt.

Die Ausstellung war wirklich super gemacht: Nicht zu groß, gut ausgesuchte Informationen und schöne Ausstellungsstücke.

Ramallah war kulturell nicht so intensiv für mich, dafür habe ich aber viele Leute kennengelernt und hatte schöne Unterhaltungen. Vor allem wenn man alleine reist, ist es wichtig sich auf neue Bekanntschaften einzulassen - im Area D geht das wirklich super! Am nächsten Tag beim exzellenten Frühstück mit Humus, Ful, Laban, Gemüse, Fladenbrot und Ei habe ich noch deutsche Junge aus Nürnberg getroffen. Einer hat sogar eine Freundin in Irsee und kennt Kaufbeuren - die Welt ist einfach klein...

 

Nach Ramallah komme ich definitiv zurück, weil man dort super leben und leben lassen kann (dass das in der Westbank noch möglich ist...). Endlich war ich mal nicht die einzige auf der Straße ohne Kopftuch!

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