Am ersten Tag habe ich mir nur etwas die Altstadt angeschaut, doch der Weg dorthin war ziemlich erlebnisreich. Ich hab mich natürlich wie immer ein bisschen verlaufen und wurde irgendwann von einer Gruppe kleiner Jungs belagert. “What's your name? What's your name?“ , das war noch harmlos und ich bin einfach weitergegangen. Sie wollten nicht los lassen, zupften an mir herum und ich wurde langsam sauer. Irgendwann bekam ich dann sowas wie “Fuck you!“ zu hören und sie verfolgten mich auf Schritt und Tritt. Zum Glück kam dann ein Vater und hielt eine ordentliche Standpauke - somit hatte ich meine Ruhe.
Etwas später sprach mich ein Mann auf der Straße an und wir führten den üblichen Small Talk: Ich komme aus Deutschland, bin Tourist und mein Name ist Sarah. Doch dann schwenkte die Stimmung und er fragte mich, ob ich verheiratet bin. Danach wie alt ich sei (auf Arabisch, aber durch mein Hebräisch verstand ich ihn). Ich wechselte flink die Straßenseite und sagte ich müsse woanders hin, er schrie mir nur noch “Give me telephone!!“ nach - ich war aber schon weg.
In der Altstadt angekommen suchte ich die Tourist Information, sie machte allerdings nicht den Anschein, als ob sie jemals geöffnet war. Ich ging nur noch etwas durch den wunderbaren, wenn auch chaotischen und riesigen, Suk und aß Kunaffah. Das ist eine Spezialität in Nablus und besteht aus geschmolzenem Ziegenkäse und irgendeinem krümeligen Teig darüber, dann natürlich alles in Sirup gebadet. Es ist aber wahnsinnig lecker und ich hab es werden Tag gegessen! In Jerusalem kostet es ca. 20 Shekel, in Nablus 5 NIS.
Zum Abschluss des Tages ging ich ins Hammam, auch dafür ist Nablus berühmt. Leider sind die Öffnungszeiten etwas unglücklich, Frauen dürfen nur am Sonntag, Dienstag und Samstag (davor besser nochmal nachfragen vor Ort). Ich hatte nur kurz Zeit, aber fand es total entspannend: Zuerst Sauna, dann Dampfsauna, auf heißen Kacheln liegen und sich danach ein Peeling mit dem Juffa-Schwamm gönnen. Das nächste Mal nehme ich noch eine Massage...
Nablus hat es mir einfach angetan! Die Stadt hat mich verzaubert und ich will einfach nur wieder zurück. Die Lage zwischen den beide Hügeln der Stadt und das leichte grün ist für Palästina sehr idyllisch und der Ausblick von oben ist super (der Aufstieg ist aber anstrengend). Ich hatte mir für den letzten Stop meiner Reise (bis auf eine Nacht in Jerusalem) das AirBnB bei Basil und seiner Mutter gegönnt, es war aber auch nicht sonderlich teuer. Sie haben ein Villa in dem wohlbetuchten Viertel der Stadt, das sich auf dem Berg befindet. Man sieht auch einige Bauarbeiten und viele Häuser sind noch am Entstehen, es ist also ein neuerer Stadtteil - deswegen leider kaum kartographiert. Nach vielen Nächten in Hostels freute ich mich richtig auf mein eigenes Reich: Eigenes Zimmer mit Balkon, großes Bad, Küche mit KOMPLETTER Ausstattung, Waschmaschine, Wohnzimmer und amerikanischer Kühlschrank. Eigentlich teilte ich mir das alles mit Basil, aber die meiste Zeit hatte ich es für mich alleine. Basil ist ein wahnsinnig gastfreundlicher junger Mann, der für sein Leben gerne durch Europa reist. Ich glaub er hat schon mehr europäische Länder gesehen als ich...
Den zweiten Tag begann ich mit einer kleinen Wanderung zum Berg Gerizim, dem Berg der Sameritaner. Sie sind die kleinste religiöse Minderheit der Welt und es gibt nur zwei Gemeinden mit je 400 Gläubigen, eine in Nablus und eine in Cholon. Im Sameritan Museum gibt es eine gute Doku über die Gemeinschaft, hier ein paar Fakten:
Sie sind ähnlich zu den Juden, aber haben einen anderen Festtagskalender und halten Shabbat wesentlich strenger ein. Sie dürfen auch nur unter sich heiraten und müssen alle zusammen in einem Dorf leben. Aufgrund ihres Frauenmangels suchen viele Männer Frauen aus Russland oder der Ukraine über das Internet und werben sie sozusagen an. Es klappt sogar ganz gut und damit wird der Fortbestand der Gemeinde gesichert. Außerdem ist es auch nur Sameritanern erlaubt einen israelischen UND palästinensischen Pass zu besitzen.
Glücklicherweise war ich während des sameritanischen Sukkot da und konnte mir noch eine Sukka ansehen. Sie ist nur aus Früchten gemacht und damit sehr aufwändig. Mir wurde auch gesagt, dass jede Familie ein Schaf besitzen muss. Dieses wird dann am Sukkot-Abend auf der Straße geschlachtet und alle essen ganz schnell das Fleisch, das soll die Aufbruchstimmung beim Auszug aus Ägypten nachahmen.
Nachmittags bin ich dann nach Sebastia gefahren, ein kleines verschlafenes Örtchen. Es gibt einen kleinen archäologischen Park mit römischen Säulen und Amphitheater. Wie immer fehlt das Geld und somit war es ein netter Spaziergang mit schönem Blick in die Landschaft, aber auch nicht mehr...
Danach bin ich in Nablus noch zur Jacob's Well Church gelaufen, sie liegt östlich vom Zentrum. Für eine orthodoxe Kirche tatsächlich sehr hübsch und nach einem anstrengenden Tag äußerte entspannend und beruhigend.
Den Abend habe ich dann mit Basil verbracht. Wir sind in der Stadt herumgefahren und waren noch in einem sehr guten und günstigen Restaurant essen. Als Degistif gibt es in Palästina ein Stamperl Kaffee und danach holt man sich am zentralen Platz einen Minztee To Go. Die Altstadt ist nachts leer und man kann sogar mit dem Auto durchfahren. Er zeigte mir noch einen Parkplatz: Früher war das eine der vielen Seifenfabriken in Nablus, doch während der zweiten Intifada wurde sie zerbombt, weil Israel dort Terroristen vermutete...
Am letzten Tag in Nablus bin ich nach Jenin gefahren, die nördlichste Stadt Palästinas. Dort gibt es eigentlich nichts zu sehen bis auf das Freedom Theatre. Es versteht sich als politisches Protest-Theater und gibt jungen Menschen wieder Hoffnung. Früher war ihr einziger Ausweg aus ihrem scheinbar sinnlosen Leben das Märtyrertum, jetzt wollen sie aber Schauspieler werden. Vor allem die Mädchen haben dadurch wieder wahre Zukunftsmöglichkeiten, sonst werden sie oft als dienende Heimchen am Herd erzogen. Demnächst geht die Theatertruppe auf Europa-Tour und will damit ihre Geschichte in die Welt hinaustragen. Den Kampf den sie mit der Intifada und alldem hinter sich haben ist zutiefst beeindruckend... Mal wieder bin ich vom palästinensischen Leben geflasht und davon, was Kunst bewirken kann.
Zum Abschluss jeder Reise gehört eine Shopping-Tour: Alul Tahini Factory (für Wegbeschreibung bei mir nachfragen), regionales Öl (wird in Plastikflaschen verkauft), Kaffee, Gewürz, Tee, Seife aus einer der vielen Seifenfabriken (mit Besichtigung natürlich),...
Ich liebe es einfach über den Markt zu gehen und die Seele baumeln zu lassen. Eine Gasse meide ich aber meistens, weil dort die Metzger dicht aneinander gedrängt sind und meistens Kuhköpfe oder Lammköpfe von den Dächern der Läden hängen...
In der Nacht es dann noch sehr gestürmt und geregnet und für ein paar Stunden war der Strom weg. Basil meinte, dass es jeden Winter so ist.
Ich weiß nicht warum ich Nablus so sehr liebe, wahrscheinlich wegen der schönen landschaftlichen Lage und diesem typisch arabischen Flair. Man kann dort auch einfach das Leben genießen: Hammam, Kunaffah, günstige Restaurants und ein großer Suk.
Wenn ich mal eine Auszeit vom israelischen Leben brauche, werde ich definitiv nach Nablus flüchten!
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