· 

Ab ins Grüne!

Die ganze Zeit nur Stadt, Krankenhaus und Straßenlärm kann ja nicht gesund sein... wir brauchen auch ein bisschen Natur! Nichts wie auf in Israels Norden, der zu dieser Jahreszeit wie eine grüne Lunge erscheint.

Lisa und ich wollten ein bisschen ausruhen und uns die Highlights von Galiläa (Nordbezirk mit See Genezareth) und den Golanhöhen anschauen.

Bei dem Wort “Golan“ kriegen die meisten schon einen kleinen Schock, weil sie nur an Kriege in diesem umkämpften Gebiet denken. Die Grenzen sind nicht eindeutig geregelt und sowohl Israel als auch Jordanien und Syrien hätten gerne etwas davon. Im Moment war es allerdings relativ ruhig, sodass wir (fast) bedenkenlos reisen konnten.

Unser erster Stopp war Safed (hebr. Tzfat), eine kleine Stadt in Obergaliläa, die für ihre Synagogen und das Künstlerviertel bekannt ist. Man kann in circa 2 bis 3 Stunden das meiste sehen und den schönen Ausblick auf die Landschaft genießen. Manche Synagogen waren leider geschlossen als wir kamen und auch manche Galerien sind nicht zugänglich. Nichtsdestotrotz ist die Altstadt sehr schön und man sollte am besten hier Souvenirs aus dem Heiligen Land einkaufen - es gibt viele Judaica, Gemälde, etc und es scheint mir wesentlich authentischer zu sein als in Jerusalem. Außerdem ist Tzfat auch sehr orthodox, auf der Herfahrt im Bus waren Lisa und ich die einzigen "normal"gekleideten Leute neben Männern in schwarz-weiß mit Tillit und Kippa und Frauen mit langen Röcken und Kopfbedeckung.

Local Tip: Gegen Sonnenuntergang im Café Bagdad eine Kaffeepause einlegen und von den Tischen draußen das Panorama genießen!

 

Da wir Geld sparen wollten, entschieden wir uns die Nächte kostenlos bei Couchsurfern zu verbringen. Die erste und letzte Nacht sollte in Amuka sein, ein kleines Dorf mit 30 Häusern etwas außerhalb von Tzfat. Dorthin gibt es keinen öffentlichen Transport, aber trampen funktioniert wunderbar im Norden und viele Locals nutzen es auch. Nach 5 Minuten Daumen raushalten nahm uns ein Argentinier mit, der eigentlich nicht direkt nach Amuka wollte, aber netterweise eine extra Runde drehte.

Dort trafen wir dann auf Noga und Oren mit ihren drei kleinen Kindern. Die beiden haben 2 Jahre in Indien gelebt und sind 4 Jahre in Europa gereist. Sie leben etwas alternativ in einem spartanischen kleinen Häuschen, wir haben uns sehr nett unterhalten und zusammen zu Abend gegessen. Der Vorteil bei Israelis zu Hause zu übernachten ist definitiv die Kultur kennenzulernen und das Alltagsleben zu sehen - außerdem können wir unser Hebräisch dabei verbessern!

Ihre Kinder waren ganz verwirrt, dass wir als Gäste auch Hebräisch sprachen und verstanden, und versteckten sich vor uns - wir beide fanden das ziemlich süß.

Am nächsten Morgen sahen wir dann endlich die schönen Wälder bei Amuka - es sieht ein bisschen aus wie im Allgäu finde ich! Als nächsten wollten wir nach Tiberias und reisten sehr kostengünstig per trampen. Durchschnittlich wartet man vielleicht 10 Minuten, manchmal klappt es auch schon nach 2 Minuten. Alle meinten, dass es im Norden ganz normal wäre und super gut funktioniert.

In Tiberias angekommen stellte sich schnell heraus, dass es kaum etwas zu sehen gab. Die Seepromenade ist ganz und eigentlich sollte es noch Kirchen zu sehen geben, aber wir fanden sie einfach nicht. Nach circa einer Stunde liefen wir an den südlichen Stadtrand und fanden einen kleinen Strandabschnitt. Vor der nächsten Etappe noch schnell die Füße im See Genezareth abkühlen (hebr. Kinneret), das Gefühl ist ziemlich komisch, wenn man sich denkt, dass Jesus hier über das Wasser gelaufen sein soll... Der Ausblick ist fantastisch und fast zu schön, um wahr zu sein.

Daumen raus und weiter! (Dabei holte ich mir einen minimalen Sonnenbrand, weil wir strahlenden Sonnenschein an diesem Tag hatten.)

Wir wurden direkt vor dem Eingang zum National Park Bet Shean abgesetzt, dabei handelt es sich um eine sehr gut erhaltene 1800 Jahre alte römische Anlage. Man findet ein Theater mit 7000 Sitzplätzen, Überreste von Badehäusern, Brunnen, Kollonade etc. Es gibt auch einen erhöhten Aussichtspunkt von dem man einen guten Blick auf das ganze Areal hat. Mit Zeit für Fotos sollte man circa 2 Stunden einrechnen, glücklicherweise sind wir vor dem Touristenbus schon herausgegangen...

Ich kann schon gut nachvollziehen, warum die Römer so interessiert an Israel waren: Wenn man römische Architektur-Kunst und die wunderschöne israelische Landschaft kombiniert, dann kann es nur atemberaubend werden. Trotzdem ist es manchmal ein bisschen komisch im Nahen Osten solche Ruinen zu besichtigen, als Europäer denkt man bei römischen archäologischen Funden immer zuerst an Italien.

 

Abends fuhren wir weiter nach Afula und gönnten uns ein schönes Abendessen im Restaurant, durch das Trampen sparten wir ja ein bisschen Geld, das wir anders gut investieren konnten. In Afula gibt es absolut nichts zu machen, aber wir hatten dort unsere nächste Couchsurfing-Unterkunft und würden am nächsten Morgen das Mietauto abholen.

Die Couchsurferin war auch Volunteer (südamerikanisch) und lebt zusammen mit 6 anderen deutschen Volunteeren - genau wie wir. Ihre Unterkunft war aber wesentlich schöner als unsere: Ein großes Haus, jeder hat ein Einzelzimmer, 2 große Bäder (ohne Schimmel!), Garten, Waschküche und riesiger Küche. Den ganzen Abend unterhielten wir uns sehr gut und genossen die Geselleschaft - abgesehen davon haben sie auch eine fantastische Aussicht auf Afula!

Ab zum Auto: Für zwei Tage mieteten wir uns bei Shlomo Sixt ein kleinen Kia Picanto und ja, das ist mit 19 Jahren möglich! Natürlich kostet das mit Versicherung schon Geld, aber wir teilten uns den Preis und genossen die Mobilität. Zuerst hatte ich einen kleinen Schock: Hilfe, Automatik-Auto! Letztendlich war es nur halb so schlimm, aber es fühlt sich an wie in einem Spielzeugauto.

 

Unser erster Halt war der Gan Garoo-Tierpark. Es ist wie ein kleiner australischer Zoo, in dem man Wallabies (kleine Kängurus) streicheln kann und in den Volieren alle möglichen farbenfröhlichen Vögel bestaunen kann. Die Wallabies sind wirklich zutraulich und alle in Israel aufgewachsen. Sie kommen zu einem her und man kann auch wirklich mit ihnen schmusen, für mich fühlte es sich an wie ein riesiges Kaninchen. Zum Zoo-Personal sagten wir auch, dass wir anfangs dachten, dass nur Kinder an sowas ihren Spaß hätten. Schließlich stimmten wir überein: Absolut nicht!

Nach vielen Streicheleinheiten zurück ins Auto und wir fuhren die Gilboa Scenic Road entlang, an der es viele schöne Aussichtspunkte gibt. Der Berg Gilboa liegt zwischen Bet Shean und Afula an der Grenze zur Westbank und wird auch in der Bibel erwähnt. Es gibt dort auch einige Wanderwege und es wäre der perfekte Ort, sich ein paar Tage vom Alltagsleben zurückzuziehen und die Natur zu genießen. Nach den Regenfällen im Winter steht jetzt alles in voller Blüte und das grüne Gras sieht richtig satt und saftig aus - herrlich!

Der letzte Stopp für den Tag sollte Migdal (Magdala) am See Genezareth sein - leider machen die meisten Kirchen schon um 17 Uhr oder früh zu. Wir hatten uns die Anlage irgendwie älter vorgestellt, aber das Bauprojekt wurde erst 2009 gestartet. Dabei traf man auf Überreste einer alten Synagoge mit der ältesten Abbildung einer Menora. Man kann sich also die Ausgrabungen ansehen und gleichzeitig die neue und moderne Kirche bestaunen. Die Kirche ist den Frauen gewidmet, denen Jesus im Neuen Testament geholfen hat, und das Highlight ist der Alter: Wie ein Boot, mit direktem Ausblick auf den See und Palmen dank einer großen Fensters.

 

Unsere nächste Unterkunft befand sich im relativ nördlich gelegenen Rosh Pina. Wir kamen bei einer Australierin unter, die vor 7 Jahren mit ihren 3 Kinder eingewandert ist und mittlerweile alleine in einem großen Haus lebt. Deswegen lädt sie gerne Couchsurfer und AirBnB-Gäste ein und teilt mit ihnen so ziemlich alles: Auch ihre koshere Küche! Es ist ein äußerst jüdischer Haushalt und für uns war das auch das erste Mal - ein bisschen Angst, etwas falsch zu machen hatten wir schon. Wir bekamen sofort Essen angeboten und sie lud uns zu einem Konzert lokaler Musiker an diesem Abend ein. Auch ihre Tochter war zufälligweise zu Hause, sie ist 19 Jahre alt und geht im April zum Militär. Wir fragten sehr neugierig nach jüdischen Traditionen, der Sache mit dem Militär und allgemein zum Leben in Israel... Von diesem Aufenthalt konnte ich einiges an kulturellem Wissen mitnehmen und auch das Konzert mit israelischer Musik war schön.

Auch schon der letzte richtige Tag! Wir klapperte noch die Sehenswürdigkeiten am Kinneret ab, darunter auch die Brotvermehrungkirche in Tabgha. Sie wurde vom Deutschen Verein des Heiligen Landes mitfinanziert und war sehr schön. Glücklicherweise sind dort die meisten Kirchen katholisch gebaut und nicht orthodox, mit diesem Baustil für Kirchen kann ich mich irgendwie nich anfreunden. Auf dem Parkplatz fragte uns ein junges polnisches Pärchen, ob wir sie zur nächsten Kirche mitnehmen können - na klar! Wenn man mal in Nordisrael ist, muss man einmal selber getrampt sein und einmal Tramper mitgenommen haben, das gehört einfach dazu. ;)

In Kapernaum (hebr. Kfar Naum) würde ich als Geheimtipp den Strand empfehlen - man kommt direkt an den See hin, hat meistens nicht so viele Leute um sich und kann schöne Bilder machen. Kapernaum wird 16-mal im Neuen Testament als Wirkungsort Jesu erwähnt, heute befindet sich dort eine moderne Kirche (regelmäßig mehrsprachige Messen), die Überreste einer alten Synagoge und eine eindurcksvolle Petrus-Status: "Du bist der Stein, auf dem ich meine Kirche erbaue! [sinngemäß]"

Unser letzter Programmpunkt am Kinneret war der Berg der Seligpreisungen. Wie immer eine schöne Kirche mit einem noch viel schöneren Ausblick - daran könnte man sich durchaus gewöhnen! Der Weg, der zur Kirche führt ist jeweils mit Steinen eingerahmt, auf denen die einzelnen Seligpreisungen geschrieben - sehr schöne Idee, meiner Meinung nach!

Nun aber ab in den richtigen Norden: Wir wollten noch ein bisschen in der Natur spazieren gehen und suchten uns den National Park bei Metula aus. Das Dorf liegt direkt an der libanesischen Grenze und man kann mal wieder die Grenzabsperrungen sehen. Wie jeder israelischer Nationalpark mussten wir den Eintritt zahlen (ohne Ermäßigung 29 NIS), das hat sich aber gelohnt! Dieser Trail ist für seine spektakulären Wasserfälle bekannt (die größten in Israel, zu viel sollte man trotzdem nicht erwarten) und diese sind am besten in den Wintermonaten zu bestaunen, weil sie dann viel Wasser führen. Der einfache Trail von Norden nach Süden (oder anders herum) dauert ca. 1,5 Stunden. Leider gibt es keinen Rundweg und für den ganzen Hin-und Rückweg hatten wir keinen Zeit. Wir liefen also ein Stück im Nordeingang hinein und wieder zurück, theoretisch könnte man dann zum Südeingang fahren und dort auch noch eine kleine Runde drehen.

 

Für einen Mittagsstopp fuhren wir nach Madjal Shams, schon alleine wegen des Ausblick kann ich diese Route empfehlen. Der Golan ist wesentlich bergiger, steiniger und rauer als Galiläa. Die Straßenverhältnisse sind durchwachsen und man merkt, dass die Region wenig Geld hat. Madjal Shams ist neben Masade die größte drusische Stadt und liegt eigentlich noch auf syrischem Gebiet - dieses "eigentlich" ist aber sehr schwierig...

Die Drusen sind für ihr Brot mit allen möglichen Gewürzen bekannt und natürlich mussten wir da was mitnehmen. Wir aßen noch im Restaurant Nafis am Stadteingang und nahmen uns bei Abu Jabal Kunaffah für den Abend mit - lecker!

Als wir später durch Masade durchfuhren sahen wir schönere Lokale und Bäckereien... Tja, der Magen war schon voll, also das nächste Mal!

Etwas südlich von Madjal Shams liegt noch der Aussichtspunkt Qneitra, von dem man direk nach Syrien sehen kann. Eigentlich befindet man sich praktisch direkt an der syrischen Grenze. In Deutschland fühlt man sich immer so weit entfernt von diesem Land mit all seinen Konflikten, doch plötzlich steht man an der Grenze und denkt sich nur: "Hilfe, da ist Syrien und ich bin im Nahen Osten!"

Dieses Gefühl und der Umgang damit ist auch eine Sache, die alle Volontäre mittlerweile gelernt hat. Man hat nicht mehr dieses "Ich bin Europäer und habe nichts damit zu tun"-Gefühl, diese Welt ist klein und auch uns betrifft der NahOst-Konflikt!

 

Wir genossen noch die Freiheit mit dem Auto, fuhren in der Gegend herum ehe wir wieder nach Amuka kamen. Wir wurden wieder ganz herzlich begrüßt und verbrachten den Abend mit den Kindern. Wir spielten hebräisches Monopoly (hebr. "Laasot keßef" - "Geld machen"). Dabei lernten wir sehr schnell zwei Sachen: Tiberias und Beer Sheva sind billig, Ramat Gan und Tel Aviv sind teuer.

 

Am nächsten Morgen gaben wir nur noch das Auto ab und glücklicherweise lief alles gut (trotz 200km-Limit pro Tag) und ich war dann schon ziemlich erleichtert. Wir erwischten gerade so noch den Bus nach Tel Aviv und waren mittags zuhause, um 15 Uhr ging es für mich schon wieder zur Arbeit.

Diese paar Tage im grünen Norden waren eine richtige Wohltat und alle meine Kollegen waren sehr neidisch und fragten mich aus, was ich denn alles gesehen habe. Galiläa und Golan sollten also auf gar keinen Fall auf einem Israel-Trip vernachlässigt werden. 

 

PS.: Im Winter liegt auf dem höchsten Berg, dem Hermon, auch Schnee und für die Israelis ist es die größte Attraktion dort Skifahren zu gehen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0