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Welcome - Part 2

Diesmal wollte ich über die nördliche Grenze bei Beit Shean nach Jordanien gehen. Die Busfahrt zog sich natürlich mal wieder, da ich zuerst nach Jerusalem musste und dann nach Beit Shean umstieg. Dort fährt ungefähr 5-mal täglich ein Bus in ein Dorf unweit der Grenze ab. Glücklicherweise war ich nicht die einzige, die dort ausstieg und wir stapften zu dritt im Regen Richtung Grenze. Das wären dann vielleicht noch 20 Minuten gewesen, aber eine Frau aus dem Dorf hat uns gesehen und nahm uns in ihrem Auto mit. Sowas funktioniert auch nur im Norden! 

Diesmal war der Grenzübertritt für mich sehr einfach, ich wurde komischerweise bloß als einzige gefragt, ob ich in Palästina war... Die Faustregel an israelischen Grenzen: Sag ihnen, was sie hören wollen. Also "Nein".

Blöderweise müssen alle auf einen Shuttle-Bus über den Jordan warten und dafür noch 5 NIS zahlen. In Jordanien angekommen musste ich mir noch noch schnell einstempeln lassen und 10 JD für das Visum zahlen. Wenn man mehr als 3 Nächte bleibt sind es nämlich nicht 40 JD, sondern nur 10 JD. Die Regelung an den 3 israelisch-jordanischen Grenzen ist mit dem Visum sehr undurchsichtig und immer irgendwie anders...

Hinter der Grenze warten viele Taxifahrer und glücklicherweise sind die Preise in die umliegenden Städte festgelegt, also braucht man nicht verhandeln. Mit einem Renter-Ehepaar aus Heidelberg teilte ich mir das Taxi nach Irbid und ich wurde gegen kleinen Aufpreis (wie hätte es denn auch anders sein können?) am nördlichen Busbahnhof rausgelassen.

Ich fuhr dann direkt in das 30 Minuten entfernte Dorf Umm Quais weiter, um mir die römischen Ruinen anzusehen. Das Bussystem in Jordanien ist relativ undurchsichtig: Es gibt den privaten Service JETT zwischen den größeren Städten. Ansonsten gibt es in jeder Stadt mehrere Busstationen, die Minibusse (wie Serveece oder Sherut) in die umliegenden Städte haben. Es gibt keinen Fahrplan oder feste Zeiten, sondern man wartet bis man genügend Mitfahrer findet. Meistens kann man auch überall auf der Strecke ein- und aussteigen. Natürlich drückt man zum Aussteigen keinen Knopf, sondern klopft mit seinen Geldstücken an die Scheibe und zahlt beim Fahrer maximal 1 JD.

In Umm Quais stiegen mit mir noch 3 Jugendliche aus, die unbedingt ein Selfie mit mir wollten. Einer legte sogar seine Hand auf meinen Kopf (?!) - wahrscheinlich ist es was besonderes, das Haar von einer Frau zu berühren.

Ansonsten gibt es dort relativ wenig zu sehen: Das Westliche Theater ist noch ganz nett, aber bei Regen verging mir dann schnell die Lust. Das einzige wirkliche spektakuläre ist der Ausblick! Man sieht den See Genezareth, die Golanhöhen und das Jordantal.

Am späten Nachmittag war ich zurück in Irbid und machte mich zu meiner Couchsurferin auf. Sie ist Marokkanerin und verbringt die meiste Zeiten bei ihren anderen marokkanischen Freunden. Alle sind auch 19 Jahre alt und über ein Stipendium an die Uni in Irbid für den Bachelor gekommen. Es war wirklich sehr cool, sich mit ihnen zu unterhalten und zu hören, was sie so über Israel wissen. In Marokko wird teilweise auch eine ziemliche Juden- und Israelhetze betrieben und ich freute mich dem etwas entgegenzuwirken. Bei einem Shawarma-Abendessen (hier nich in Pita, sondern als Wrap) wurde mir auch noch erklärt, dass die jordanischen Frauen relativ wenig Freiheiten haben. Die Gesellschaft scheint nach außen liberaler zu sein, aber innen sind immer noch die konservativen Denkweisen verankert. Wenn man kein Kopftuch trägt, muss man einige verbale Angriffe und auch Verachtung hinnehmen.

Am nächsten Morgen verließ ich die netten Marokkaner auch schon wieder und fuhr nach Jerash. Es braucht circa eine halbe Stunde bis sich der Bus füllte und losfuhr. Leider regnete es immer noch und somit war die Besichtigung des doch recht großen Geländes nicht so schön wie erhofft.

Die Ausgrabungen der antiken römischen Stadt begannen vor 85 Jahren, aber man vermutet immer noch 90% nicht freigelegt zu haben. 64 v. Chr. wurde Jerash (Gerasa) unter Pompeius in die Provinz Syria eingegliedert und erlebte als Handelsstadt im 3 Jh. n.Chr. ihre Blütezeit. Durch das sich ausbreitende Christentum im 5. Jh., die persische Invasion 614 und ein Erdbeben 747 verlor Jerash an Bedeutung und die Handelsrouten wurden verlegt. 

Zu den größten Attraktionen zählen das Hippodrom, der Zeus-Tempel, das Forum, das Theater und der Cardo Maximus.

Im ständigen Nieselregen verging mir mal wieder der Spaß und ich fuhr weiter nach Amman. 

Ich kam an der nördlichen Busstation an und musste irgendwie zu meiner Couchsurfing-Familie kommen... Ich hätte mir das Bussystem komplizierter vorgestellt, aber entlang der großen Straßen fahren immer wieder Busse, in die man einfach einsteigen kann. Die Familie lebte im nord-westlichen Bezirk und ist wirklich sehr interessant: Rose hat das erste Aktivitätszentrum Jordaniens nur für Frauen gegründet und ihr Mann hat in Russland Computertechnik studiert. Jetzt arbeitet er für das Radarkontrollsystem in Amman. Nachmittags nahm er mich mit nach Downtown und ich schaut mir das römische Theater und die Zitadelle an. Beides ist ganz nett und ich lief noch weiter durch die Altstadt. Es war irgendeine Mischung aus Ramallah und Nablus. Der Markt war in einigen Straßen relativ alt und traditionell und anderen Straßen gibt es neue und moderne Läden. In dem Café/Bistro Zajal probierte ich noch Chicken Fateh und ich bin verliebt in das Gericht: Reis, Hähnchen, Petersilie, knusprige Brotstückchen und viel Tahin-Soße!

Da ich irgendwie keinen Bus fand, lief ich bis zum King Abdullah Garten, weil es dort einige Autovermietungen gibt. Es war schon 19 Uhr als ich ankam und nur noch ein paar hatten geöffnet. Schließlich machte mir einer das Angebot am nächsten Morgen das Auto abzuholen, mein Alter und Kilometerlimit sind egal und der Preis (30 JD pro Tag) war in Ordnung.

Um kurz vor 9 Uhr habe ich das Auto abgeholt, noch schnell aufgetankt (zum Glück gibt es einen Tankservice!) und ich bin in den Osten losgefahren. In der östlichen Wüste gibt es einige alten Wüstenschlösser, dich gerne anschauen wollte und in Azraq (letzte Stadt vor der irakischen Grenze) gibt es noch ein Wetland Reserve. In dem Reservat wurde immer wieder betont, wie gefährlich das illegale Abpumpen des Wassers aus der Oase ist. Es ist aber ganz schön, dass man Touristen hinsichtlich dessen weiterbilden will.

Das Wüstenschloss in Azraq ist absolut unsehenswert, letztlich ist es nur ein großer Haufen alter Steine. Etwas enttäuscht bin ich nach Amra und Kharana gefahren und war sehr positiv überrascht, dass die beiden Schlösser so schön waren. Sie stehen einfach mitten in der Wüste, im Nirgendwo und waren für Wüstenkarawanen und Handelsreisenden Anlaufpunkte.

Weil ich noch Zeit hatte bin ich nach Madaba weitergefahren, um mir die alte Mosaikkarte in der St. Georgs Kirche anzusehen. Es ist die älteste Karte des nahen Ostenn und zudem noch ein schönes Mosaik. In der anderen archäologischen Ausstellung sah man noch weitere Mosaikkunstwerke und auch alle Tourist-Shops verkaufen kleine Mosaike. Die Altstadt ist auch immer mit Touristen gefüllt und ich fühlte mich ein bisschen wohler als in Arzaq, wo es fast keine touristische Infrastruktur gibt und ich die einzige Europäerin war.

Als phänomenalen Tagesabschluss ging ich bei Al Mandi für 2,5 JD eine riesige Portion Chicken Mansaf essen - himmlisch! Und der Kellner erklärte mir in gutem Englisch die richtige Art es zu essen: Man nimmt das pfannkuchendünne Brot, greif Reis und ein bisschen Fleisch und tunkt es in die Joghurt-Soße.

Den Abend verbrachte ich in Amman auf der Couch mit meiner Gastfamilie und der Hund hat mich ins Herz geschlossen und schlief auf mir. 

Für den nächsten Tag war ein großer Roadtrip geplant: Um kurz nach 7 Uhr bin ich aufgebrochen und brauchte wegen der schlechten Straßenverhältnisse gut 4 Stunden bis zum Shoubak Schloss. Ich freute mich schon sehr auf die Besichtigung bis dann plötzlich ein Polizeibeamter meinte, es wäre heute geschlossen. "Warum?" - "Weil...". Ich bekam keine Antwort und konnte dann wenigstens meinen Essensstop mit schönem Ausblick verbringen. Circa 45 Minuten nördlich von Shoubak liegt das Reservat Dana. Es ist das größte Naturschutzgebiet Jordaniens und eine tolle Gegend für lange Wanderungen. Zeitlich bedingt drehte ich nur eine kleine Runde in dem pittoresken Dorf und machte schöne Fotos von der Berglandschaft.

Es kostete mich nochmal 2 Stunden bis ich in Karnak am Schloss angekommen war. Eigentlich war es eine Kreuzritterfestung, aber wurde später von Ummyaden und Seldschuken auch benutz und weiter ausgebaut. Auch hier wurde ich von Jungs wieder um Selfies gebeten und sie wollten sogar mein Facebook-Profil haben. Das ging mir dann zu weit und ich floh schnell. Die Festung ist zwar ganz nett anzusehen, aber in Europa findet man zuhauf ähnliche Bauten.

Mein Rückweg nach Amman führte mich schließlich passend zum Sonnenuntergang durch Wadi Mujib. Es ist ein weiterer Naturpark der leicht canyonartig aussieht und auch einen kleinen See beinhaltet. Der Ausblick war fantastisch und es wäre fast zu schön gewesen, wenn nicht spielende Kinder auf der Straße die Autotüren aufgerissen hätten und Geld verlangten...

Ich war komplett fertig, als ich abends in Amman ankam, aber Rose hatte noch Freunde für ihre Geburtstagsfeier eingeladen - mich natürlich auch. Wir saßen nett beieinander, ihre Freunde waren auch ziemlich neugierig auf mich und es war ein schöner Abend. Liberale arabische Geburtstage sehen folgendermaßen aus: Man isst abends zusammen, raucht Shisha, isst Kuchen und es gibt keinen Verdauungsschnapps, sondern natürlich arabischen Tee.

 

Nach einer kurzen Nacht gab ich das Auto wieder ab und trotz des abgesplitterten Lacks und angebrochener Plastikabdeckung hat der Vermieter nichts gesagt - die wissen wahrscheinlich um die Straßenverhältnisse und das Auto war eh schon relativ alt. 

Mit dem Taxi hetzte ich zur Busstation und erwischte in letzter Minute meinen VIP JETT Bus nach Aqaba. Es war der einzige, der zeitlich passte und dann musste ich etwas mehr zahlen... Die Sitze waren aber auch wesentlich bequemer, man bekam Kopfhörer, ein Sandwich, Wasser und Tee/ Kaffee so viel man wollte. Auf der Fahrt plante ich gleich meine nächsten Reisen und nach 4 Stunden war ich schon am Roten Meer.

In Aqaba gibt es nicht wirklich etwas zu besichtigen, es ist ein klassischer Strandort mit Restaurants, Shops, Cafés etc...

Mein AirBnB Vermieter hatte auch eine sehr interessante Geschichte: Er hat seine amerikanische Frau über Couchsurfing getroffen, sie verliebten sich, reisten in Asien herum und letzten Dezember wurde sie in Malaysia schwanger. Beide heirateten und leben jetzt zusammen in Aqaba. Sie konvertierte zum Islam , aber will trotz allem ihr Kind in den USA auf die Welt bringen.

Den restlichen Tag saß ich also nur noch am Meer und war abends noch Saddiya (Zimt-Gewürzreis mit Fischfilet und würziger Soße) essen.

 

Am nächsten Tag war ich noch mit anderen Gästen gemütlich Hummus und Falafel frühstücken und unterhielten uns sehr nett. Um 11 Uhr ging ich über die jordanische Grenze und wurde in Israel sehr lange aufgehalten...

So eine extreme Befragung habe ich auch noch nicht mitgemacht, ich musste wirklich ALLES erzählen. Von dem Aufbau des DRK, über meinen einzelnen Arbeitsschritte im Krankenhaus bis zu jeder Unterkunft in Jordanien und meinem Flugticket. Ich habe mich wirklich wie ein Schwerverbrecher gefühlt und kann Israel als Staat absolut nicht ausstehen. Wenigstens habe ich jetzt ein Touristenvisum für 3 Monate bekommen... Ich bin immer noch geschockt davon, was für Sicherheitsvorkehrungen sie treffen und wie wenig Vertrauen sie in andere Mitmenschen haben. In Europa sind wir gesegnet mit unseren offenen Grenzen, das realisieren wir bloß zu selten.

Etwas erleichtert setzte ich mich in den Bus und ergatterte den letzten Sitzplatz. Fünft Stunden später war ich wieder in meiner Wohnung und manche haben schon gemeint, ich sehe etwas verloren in meinem Zimmer aus. Ich brauche noch ein bisschen um anzukommen...

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