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Pessach oder Passcha?

2019 fielen leider das jüdische Pessach und unser Ostern (hebr. Passcha) auf den gleichen Termin. Das ist relativ selten, aber kann schon einmal vorkommen. Das hängt mit den verschiedenen Kalendern zusammen, aber darauf gehe ich hier nicht näher ein. Organisatorisch war es für mich ein ständiges Hin und Her und ziemlich hektisch. Für euch trenne ich das in diesem Eintrag, sodass ihr das alles besser nachvollziehen könnt.

pessach

Pessach (engl. Passover) ist die größte jüdische Feier und erinnert an den Auszug der Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten. Der Name führt von der biblischen Erzählung, dass Gott an den Häusern der Juden vorbeizog und sie verschonte. Das Fest beginnt mit dem sogenannten Sederabend ("seder"= Ordnung) an einem Freitag und zieht sich über eine ganze Woche. Der erste Freitag, Samstag und in der folgenden Woche Donnerstag, Freitag und Samstag sind nationale Feiertage. Somit gibt es keinen öffentlichen Transport und keine Geschäfte sind geöffnet, ausgenommen der arabischen Unternehmen natürlich (zum Glück!).

Ein sehr wichtiger Begriff ist "kosher für Pessach". An Pessach werden keine Getreideprodukte gegessen, die fermentiert oder gebacken wurden. Diese Lebensmittel werden als chametz (von "chamutz" = sauer) bezeichnet und schon Wochen vorher werden die Häuser penibelst gereinigt und von diesen Produkten befreit. Ins Krankenhaus brachten dann alle ihr chametz mit und es stapelte sich in der Küche in den Wochen vor Pessach. Natürlich wurde auch die ganze Station kosher für Pessach gemacht - schon irgendwie komisch finde ich. Alles an Brot wurde 3 Tage vorher verbannt und durch Mazot (erkläre ich später) ersetzt. Unser Essenszimmer war bis auf einen Schrank komplett kosher und jener Schrank wurde mit einem Tape "Nicht kosher für Pessach!!" abgeklebt.

Auch Restaurant und Imbiss-Läden haben ihre Menüs für Pessach geändert, Bäckereien bleiben komplett geschlossen. Ebenfalls in den Supermärkten sind die Regale mit chametz mit Plastikfolie abgedeckt und das Angebot reduziert sich somit sehr stark. Aber was isst man denn eigentlich an Pessach?

 

Ein sehr wichtiger Bestandteil ist das Matzah-Brot. Da die Israeliten kurz vor ihrer Flucht aus Ägypten keine Zeit hatten auf das Aufgehen des Brotes zu warten, bereiteten sie bloß solch ein einfaches, "ungesäuertes" Brot zu. Heute erinnern die Juden mit dem ausschließlichen Verzehr von Matzah als Brotersatz dran. Es schmeckt zugegebenermaßen nach nicht viel und hat die Konsistenz eines Kräckers. Manche legen auch ein feuchtes, warmes Tuch um die Matzot, um sie weicher zu machen.

Konservative Juden essen am Sederabend speziell symbolhafte Speisen, hier ein kleiner Überblick:

  • Bitterkraut (Marror): Sinnbildlich für die bittere Knechtschaft; gegessen werden unter anderem bitterer Salat, Meerrettich etc.
  • Chaseret: Ebenfalls ein Bitterkraut und ist eine bloße Ergänzung zu Marror.
  • Karpas: Zulässig sind Sellerie, Radieschen, Kartoffeln oder ähnliches. Sie stehen als Früchte des Bodens für die Früchte der Sklaverei in Ägypten, sozusagen des positive Endresultat.
  • Seroa: Eigentlich eine Lammkeule, die an die traditionelle Opferung des Pessach-Lammes im Jerusalemer Tempel erinnert. Askenasische Juden essen aber wegen der Tempelzerstörung kein Lamm mehr am Sederabend.
  • Charosset: Eine Paste aus Äpfeln, Feigen, Datteln, Nüssen, Zimt, Ingwer und Rotwein. Sie erinnert an den Lehm, aus dem die Israeliten ihre Häuser bauten
  • Beizah ("Ei"): Symbol für die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens. Ich persönlich würde das Ei allerdings als Lebenssymbol betrachten - vielleicht passt ja auch beides.
  • Becher Wein: Wie auch an anderen jüdischen Festtagen und Shabbat gibt es immer Wein (oder Traubensaft) zu trinken. An Pessach wird aber ein spezieller Becher auf den Tisch gestellt, der für den Propheten Elia (Mittler zwischen Gott und Menschen) bestimmt ist.
  • Salzwasser: Die aufgezählten Lebensmittel werden vor dem Verzehr in Salzwasser getunkt, dass für die Tränen der versklavten Israeliten steht.

Der Großteil der Israelis ist aber nicht konservativ und es gibt neben dem Matzah eine Auswahl an Salaten, Beilagen (Kartoffeln, Reis, etc) und Fleischgerichte. Das Essen steht im Mittelpunkt und nimmt ungefähr den Platz unseres Weihnachtsessens in der modernen Kultur ein.

 

Traditionellerweise hat ein Sederabend auch eine gewisse Ordnung mit dem Essen der speziellen Speisen, dem Brechen des Matzah, der Erzählung des Auszugs aus Ägypten, Liedern, Händewaschungen, etc. Wer sich für das genau Zeremoniell interessiert, kann gerne hier nachlesen.

Meistens wird aber von den Kindern die Geschichte des Auszugs gelesen (oder Auszüge davon), Matzah in die Runde verteilt, ein Schluck Wein getrunken und dann widmet man sich recht schnell dem Festmahl.

Für die kleinen Kinder wird ein Stück Matzah im Haus versteckt und wenn man es findet, bekommt man ein Geschenk zu Pessach. Das ist ein bisschen wie die Ostereier-Suche bei uns.

Es ist aber vor allem ein Fest, dass man zusammen mit Familie und Freunden verbringt. Meine ganzen Kollegen waren schon besorgt, dass ich an den Feiertagen alleine sein könnte und ich erhielt viele Einladungen.

ostern

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich vor einem Jahr mitten in den Abiturvorbereitungen steckte und mir bei der Tagesschau-Übertragung aus Jerusalem dachte: "Da bin ich nächstes Jahr. Dann hab ich alles in der Schule geschafft und kann endlich Ostern in der heiligen Stadt feiern."

Und plötzlich war dieser Moment da! Die Osterfeierlichkeiten begannen ja schon an Palmsonntag, aber da habe ich es nicht nach Jerusalem geschafft. So fuhr ich Gründonnerstag los und entschied mich für den Gottesdienst im Österreichischen Hospiz an der Via Dolorosa. Die Kapelle war wirklich sehr klein und familiär und die Anzahl der Gottesdienstbesucher überschaubar. Danach gings weiter zum Garten Gethsemane, dort begann die mehrsprachige Messe erst um 21 Uhr. Nach der Messe war eine stille Andacht im Garten geplant und dann ein Fackelzug bis zur Kirche St. Peter in Gallicantu ("Sankt Peter zum Hahnenschrei"). Wegen meiner Erkältung konnte ich das leider nicht mehr mitnehmen, ich blieb einfach noch ein bisschen im Garten und nahm die Stimmung war. Es waren auch sehr viele arabische Christen dort und es war komisch die Mädchen Arabisch sprechen zu hören, aber kein Kopftuch zu sehen. Ansonsten gab es natürlich Pilger aus aller Welt, manche saßen sehr bewegt mit Tränen in den Augen am Boden und andere versuchten bloß den vielen Fernsehkameras auszuweichen.

Dann war auch schon Karfreitag und die Prozession der Franziskaner begann um 11.30 Uhr an der ersten Kreuzwegsstation der Via Dolorosa. Es war gar nicht so leicht dorthin zu kommen, weil für das muslimische Freitagsgebet viele Straßen der Altstadt gesperrt waren - pures Religionschaos. Die Straßenränder waren mit Gittern abgesperrt und es war, wie erwartet, ziemlich überfüllt. Sehr schön zu sehen war es, dass auch die Mönche selber alle möglichen Nationalitäten repräsentieren und die Prozession wurde multilingual auf Italienisch, Englisch und Spanisch abgehalten. An jeder der 14 Stationen wurde der Leidensweg Jesu nachvollzogen und von einem lateinischen Vater Unser begleitet. Die Erfahrung zwischen so vielen Gläubigen aus aller Welt zu sein und dieses Ostern miteinander zu teilen war wirklich einzigartig! Ich kann es definitiv jedem empfehlen, egal ob gläubig oder nicht, sowas einmal mitzumachen.

Die Kreuzwegsprozession führte dann nach circa 45 Minuten in die Grabeskirche. Ich ergatterte einen guten Aussichtspunkt auf der Empore des Kalvarienberges und konnte alles von oben und ohne Gedränge beobachten. Zum Glück trugen manche Mönche noch große Lautsprecher, sodass man auch alles verstand. Es endete dann am Heiligen Grab und die Mönche zogen aus der Kirche aus. Zurückblieben die vielen Pilgergruppen, teilweise hatten sie auch Holzkreuze dabei, und alle drängten sich in das Heilige Grab hinein. Dann war da noch ich: Ich fühle mich in der Grabeskirche nicht wirklich wohl, zu viele Menschen, dunkle Gestaltung und auch der Gedanke, dass genau hier das Grab Jesu gewesen sein soll, ist sehr herausfordernd an den Glauben. Mir war das alles ein bisschen zu viel und ich entschied mich nach Rishon zurückzufahren, am Abend war ich ja bei meiner Chefin für Pessach eingeladen.

 

Für die Osternacht kam ich aber natürlich zurück! Theoretisch hätte ich Ostern in der Grabeskirche feiern können, aber ich wollte einen vertrauten, deutschen Ablauf haben. Ich fand schon Weihnachten so komisch, weil alles fremd war und es nicht so wirklich funktioniert hat. Das sollte mir an Ostern nicht nochmal passieren! Die deutsche Dormitio Abtei hat glücklicherweise eine Kirche auf dem Berg Zion und feiert die Osternacht um 3 Uhr. Auf dem Vorplatz wurde auch ein Osterfeuer entzündet und alle Gottesdienstbesucher zogen dann gemeinsam mit Kerzen in die Kirche ein. Erstaunlicherweise war die Kirche sogar gut gefüllt (trotz der Kälte am Morgen) und die Stimmung war wirklich schön. Schon so ein paar kleine Sachen wie Osterkerzen, bestimmte Lieder oder auch bloß die vielen Deutschen sorgten für ein gewisses Zuhause-Gefühl bei mir. Übrigens: Die Altstadt ist von orthodoxen Christen bestimmt und somit findet man keine Osterkerzen. Ich improvisierte und kaufte mir eine normale Kerze und ritzte mit einem Skalpell aus dem Krankenhaus Verzierungen hinein.

Nach gut 3 Stunden war der Ostergottesdienst vorbei, die Sonne war aufgegangen und alle wurden zu einem Osterfrühstück im Gemeindesaal eingeladen. Ich konnte meinen Augen gar nicht trauen: Zopf, Marmelade, Nutella und gefärbte Ostereier! Ich habe mich wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum gefühlt und war schlichtweg glücklich. Ich bin mittlerweile seit 8 Monaten in Israel und vermisse schon manchmal Deutschland. Es fehlen viele Traditionen und man fühlt sich immer wie ein Außenseiter, sowohl als Deutscher als auch als Christ. Doch an diesem Ostermontag war das für ein paar Stunden völlig vergessen und weg - da konnte ich genießen und hatte ein kleines, vertrautes Deutschland in Israel gefunden.

 

PS: Ich muss gestehen, dass ich den Ostermontag fürs Reisen hergenommen habe und keinen Gottesdienst besuchte, diesbezüglich kann ich euch also leider keine Auskunft geben.

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