Nach stundenlanger Sinaiüberquerung in quälender Hitze schien die Wüste endlich ein Ende zu haben. Circa 30 km vor Kairo begann man wieder jemanden und etwas um sich herum wahrzunehmen. Ich hatte tatsächlich das Gefühl wieder Zivilisation zu sehen! Vor allem das Stück zwischen dem Suezkanal und dem Großraum Kairo ist nur eine große Straße in der Leere... Alles flach, Sand, diesig und man sieht einfach kein Ende.
Theoretisch hätte ich auch wesentlich einfach einen Flug von Tel Aviv zur Hauptstadt Ägyptens nehmen können, aber das war nicht ganz im Budget (ca. 200 €). Ich entschied mich also für die Sparfuchs-Variante und fuhr nach Eilat, überquerte die Grenze und nahm nach einer wunderschönen Nacht am Meer im Sakratah Camp den Bus nach Kairo (ca. 10€).
Zunächst war ich komplett überfordert in dieser Stadt, hatte noch kein Geld wechseln können und musste irgendwie zum Safary Hostel kommen. Das liegt zum Glück leicht erreichbar im Stadtzentrum mit Markt direkt vor der Tür. Kairo erschien mir eine ganz normale arabische Stadt zu sein, welche doch wesentlich moderner und besser ausgebaut ist. Es gibt ein gutes Metronetz (mit Frauenabteil), eine renommierte Universität, großen Verkehrsknotenpunkten und auch einige liberal scheinende Geschäfte. Für mich war es wie eine verrückte Mischung aus Berlin und Ramallah...
Die eigentlichen Ausmaße der Stadt nimmt man im bei Touristen beliebten Stadtzentrum nicht wahr: Man braucht eine Stunde, um dieses Ballungszentrum zu verlassen und alles ist eng zugebaut. Eigentlich besteht das umgangssprachliche "Kairo" aus zwei Städten: Cairo östlich des Nils (18 Mio.) und Giza westlich des Nils (14 Mio.). Tagsüber kommen in dieses Herzstück Ägyptens nochmal an die 3 Millionen Arbeitskräfte. Tagsüber tummeln sich dann also 35 Millionen Menschen dort! Bei einer geschätzten Bevölkerung von ungefähr 100 Millionen ist das eine bemerkenswerte Zahl.
Ich konnte kaum warten die Erkundungstour zu starten!
Disclaimer: Mir ist es bei meiner Ägyptenreise vor allem wichtig echt Erfahrungen mit euch zu teilen und Einblicke zu geben, die man nicht in einem Wikipedia-Artikel findet. Genauere historische Hintergründe kann jeder selber nachlesen, in Museen gehen oder am besten selber nach Ägypten kommen. ;)
Ägypten besuchen heißt nicht nur die Pyramiden von Gize und das Tal der Könige zu besichtigen. Es gibt so viel mehr zu sehen! Das kulturelle Gut ist wesentlich vielfältiger als das, was man in Europa davon weiß. Wenn man sich also schon einmal auf den afrikanischen Kontinent gewagt hat, dann sollte man auch möglichst alles mitnehmen.
Nicht immer wurden Pyramiden so schön gerade gebaut, wie man sie von den Postkarten mit den Bildern von Gize kennt. Es war ein langer Weg bis die Statik und Konstruktionsweise ausgetüftelt war und nicht alles im sandigen Boden zu versinken drohte.
Die meisten Hotels und Hostels können für einen ganztägig Pyramidentouren buchen. Normalerweise zahlt man 35-45€ und bekommt neben Transfer zu den verschiedenen Attraktionen auch viele Informationen zur ägyptischen Geschichte.
Meine Tour startete wegen Ramadan schon um 7 Uhr morgens und der erste Stopp war Dhashur. Dort sind die Knickpyramide und die Rote Pyramide zu sehen, welche frühere Ansätze zum Pyramidenbau waren. Leider ist nur die Rote Pyramide durch einen schmalen und steilen Schacht zu besichtigen. Innen gibt es nicht viel zu sehen, da entgegen alles Vorstellungen die Pyramiden sehr kahl und dunkel sind. Es wurde ja leider alles ausgeraubt... Trotzdem war das Gefühl tief in eine Pyramide hinabgestiegen zu sein, die Kälte und den eigenartigen Geruch wahrzunehmen ziemlich besonders für mich.
Der nächste Halt sollte unbedingt die Stufenpyramide von Saqqare sein, welche zur Zeit leider rekonstruiert wird. Dadurch ist sie leider nicht zugänglich, aber direkt daneben befindet sich die Unas-Pyramide. Von außen ist sie eher unscheinbar, aber laut meinem Fahrer ist sie die einzige mit richtigen Hieroglyphen! Da es kaum Besucher oder Aufseher gibt kann man auch (verbotenerweise) seine Hände darüber streichen lassen... Wenn man schon wie ich als kleines Kind davon geträumt hat, dann wird man dieses Gefühl nie vergessen!
Bei den meisten Touren sind auch noch Memphis, die alte Hauptstadt, ein Programmpunkt . Dort wird die drittgrößte Statue ausgestellt und eine Sphinx, welche seit tausenden von Jahren immer noch am gleichen Platz steht! Um die Wirtschaft anzukurbeln macht man oft noch bei dem Papyrus-Institut und einer traditionellen und hochqualitativen Parfümerie einen Zwischenhalt. Es ist wirklich äußerst interessant und man kann an diesen Orten viel Geld lassen, wenn man will…
Nun aber zu den Pyramiden von Gize: Man kann das Gelände entweder zu Fuß erkunden oder per Kamel. Die meisten werden einem sagen, dass es unmöglich sei alles durch Laufen zu erschlagen, was meiner Meinung nach nicht stimmt.
Der einzige etwas entferntere Punkt ist der Panorama View Point, welcher aber nicht wirklich relevant ist. Falls man allerdings Kamel oder Guide bevorzugen sollte, muss man das unbedingt außerhalb des Geländes im Tourist Office buchen! Dort kann man sich auf die genannten Preise verlassen, aber im Gelände drinnen wird man meist abgezogen. Für den Besuch sollte man mindestens 2 Stunden einrechnen und man sollte genügend zu trinken mitnehmen. Zu beachten ist die recht spärliche Beschilderung mit "climbing prohibited" an den Pyramiden, die Polizisten nutzen das nämlich schamlos aus. Sie fordern Touristen dazu auf ein Bild vor den Pyramiden zu machen und meist ist es unvermeidlich, dass man sich auf die unterste Stufe stellt. Sofort pfeifen sie einen ab und verlangen einen Dollar als "Bußgeld". Mit einem einfach "I don't understand" kommt man aber davon.
Noch Informationen zum Transport: Wenn man nicht eine Tour gebucht hat, dann kommt man aus dem Stadtzentrum ganz einfach mit der Metro dorthin. Es ist wirklich erstaunlich wie nah die Pyramiden zum Stadtzentrum liegen!
Für alle anderen Pyramiden benötigt man aber einen Fahrer oder ein Taxi, weil es dorthin keinen zuverlässigen und touristengerechten öffentlichen Transport gibt.
Abgesehen von den Pyramiden hat Kairo sehr viel zu bieten: Man kann durch die vielen verschiedenen Viertel streifen und sieht dort alles von muslimischen, koptischen bis zu Hipster-Bereichen.
Ich startete mit dem koptischen Viertel, das früher den ägyptischen Christen zugeschrieben war. Zunächst schaut ich mir die "Hängende Kirche" an, welche über wunderschöne Holzschnitzereien verfügt. Der Name rührt von der früheren Lage auf dem südlichen Tor der römischen Festung. Direkt neben an ist das sehr sehenswerte Koptische Museum, welches nähere Einblicke in das christliche Leben Ägyptens bietet. Schließlich sollte man sich die griechisch-orthodoxe Kirche des St. Sergius anschauen sowie den Friedhof mit verzierten Grabsteinen und kleinen Mausoleen.
Das koptische Viertel liegt direkt neben der Mar Giris Metro Station und ist nur wenige Minuten vom Tahrir Square entfernt.
Eins der größten Highlights für einen Ägyptologie-Fan ist natürlich das Ägyptische Museum am geschichtsträchtigen Tahrir Square mitten in Kairos Downtown. Mir wurde erzählt, dass Alleinreisende nur zu bestimmten Zeiten eingelassen werden, aber das stimmt absolut nicht! Man muss sich aber mit dem Gedanken anfreunden, sich das Museum mit vielen Touristen teilen zu müssen. Es gibt auch spezielle Einlasszeiten für eine Abendbesichtigung (natürlich nicht während Ramadan), welche teurer sind als das normale Tagesticket. Um den Verkaufsschalter tummeln sich Ägyptologen und Reiseführer, die jedem eine Führung andrehen wollen. Es stimmt tatsächlich, dass die Ausstellungsstücke nur spärlich beschriftet sind und so ließ ich mich eben auf das Angebot ein. Man ist ja wahrscheinlich nur einmal in seinem Leben im Ägyptischen Museum. Die einstündige private Führung für 300 EGP (ca. 15€) war zwar gut, aber ich hätte mir noch mehr nützliche Informationen erwartet. Anfangs hat er ziemlich weit ausgeholt und zu den eigentlichen Highlights wie den Fundstücken aus dem Tutanchamun-Grab wenig erzählt. Man hat gemerkt, dass er mich zu einer Verlängerung drängen wollte. Den Rest habe ich dann aber alleine besichtigt und mit ein bisschen Vorwissen und Google-Recherche kann man das Museum durchaus selber machen. Trotzdem würde ich empfehlen sich im Museumsshop ein Buch über das Museum zu kaufen, um das Beste aus dem Besuch herauszuholen. Das ist wesentlich preiswerter als einer der Ägyptologen (welche vom Museum zertifiziert sind) und für die meisten wahrscheinlich auch informativer. Neben der Totenmaske und dem Sarg des Tutanchamun, welche aus purem Gold gefertigt sind, sollte man sich auch den Royal Mummies Room nicht entgehen lassen. Dort sind noch gut erhaltene Mumien der großen Pharaos Ägyptens erhalten. Manchmal sieht man sogar noch die weißen Haare! Für diese beiden Ausstellungen muss man ein zusätzliches Ticket kaufen, aber es sind auch meiner Meinung nach die interessantesten Räume. Des Weiteren sind wichtigen Alltagsgegenstände, eine riesige Sammlung an verschiedensten Särgen, die größten gefundenen Statuen und ein altes Nilboot ausgestellt. Für den Besuch sollte man mindestens zwei Stunden einrechnen. In Kairos Museen muss man meistens einen Fotopass kaufen, welcher sich auf ein paar Euro beläuft. Im Ägyptischen Museum würde ich es schon empfehlen, obwohl für die Maske als auch die Royal Mummies striktes Fotoverbot gilt. Andere Ausstellungsstücke sind häufig in Glaskästen verstaut, doch mit etwas Mühe kann man trotzdem schön fotografieren.
Nun aber weiter zu den architektonisch und historisch wichtigen muslimischen Bauten: Die Saladin-Zitadelle mit Moschee ist sicherlich schön und bietet einen guten Ausblick auf Kairo (falls Smog und Wüstensand es einem gestatten). Wer aber nur wenig Zeit hat, kann auf diese Sehenswürdigkeit gut verzichten. Außerdem ist sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erreichen, sodass ich Uber oder Careem (arabische Version von Uber) empfehle. Ganz interessant fand ich den aufgebauten Infostand mit Broschüren in einer Vielzahl von Sprachen über die islamische Weltvorstellung, das Frauenbild, Grundideen usw. Es ist schön Touristen darüber kostenlos informieren zu wollen, doch fand ich die Ausdrucksweise sehr missionarisch und teilweise leicht propagandistisch.
Direkt daneben befinden sich noch die Madrasa und Sultan Hasan Moschee, welche architektonisch bedeutsam sind, vor allem da eine offen gestaltet ist. Da ich zu Ramadan in Ägypten war, war das öffentliche Leben eingeschränkt und sehr verschlafen. Man kann dann oft in den Moscheen Männer antreffen, die vor der brütenden Hitze zu den dort aufgestellten Ventilatoren flüchten, um tagsüber zu schlafen.
Der letzte wichtige Teil des islamischen Kairo ist natürlich der Khan Al-Khalili Markt mit umliegenden Straßen. Es handelt sich dabei um den wohl eindrücklichsten Suk im mediterranen Nahen Osten und man kann dort alles finden: Von Obst und Gemüse, über Tiere bis hinzu Kleidung, Silberwaren, Lampen etc. Wenn man auf Souvenir-Jagd gehen will, ist das wohl der beste Ort! Man darf sich aber nicht abziehen lassen und sollte verhandeln. Das erfordert zwar ein bisschen Übung, aber nach längerer Zeit in Nah Ost habe ich mir da so meine Strategien angeeignet. Es lohnt sich auch einen Abstecher in die engen Gässchen zu machen, da man dort dann die richtigen Locals trifft. Es gibt eine Gewürzstraße, wo man schon fast keine Luft mehr bekommt, weil so viele Aromen (und Gewürz-Feinstaub) in der Luft herumfliegen! Sowas ist keineswegs mit deutschen Bauernmärkten zu vergleichen.
Eine noch nicht so bekannte Sehenswürdigkeit ist der Manial Palace, welcher zwischen 1899 und 1929 für Prinz Mohammad Ali erbaut wurde. Er befindet sich auf der südlichen kleinen Insel und ist weniger überlaufen. Die Hauptgebäude wie Wohnräume und Empfangshallen sind kunstvoll im arabischen Stil verziert und auch noch sehr gut erhalten. Das dazugehörige Jagdmuseum ist unspektakulär und kann ignoriert werden. Als ich dort war, waren große Teile der schönen Gartenanlage abgesperrt – keine Ahnung, ob sich daran noch etwas ändern wird. Leider galt auch ein strenges Fotoverbot… Auch wenn man dort durchschnittlich nur eine Stunde braucht und es etwas abseits des Zentrums liegt, empfehle ich einen Besuch hier sehr!
praktische Tipps
Mit öffentlichen Transportmitteln kommt man innerhalb der Stadt gut zurecht, vor allem durch die Metro. Wenn es weiter weg gehen soll, dann sind sowohl Zug als auch Bus gute Optionen. Beide Stationen sind ganz gut organisiert, obwohl es für jede einzelne Buskompanie bzw. jeder Zugdestination einen eigenen Ticket-Schalter gibt. Aber die netten Ägypter helfen einem bei dem Chaos immer sehr gerne. In der Hochsaison bietet es sich auch an, die Karten schon am Vortag zu kaufen.
Kulinarisch hat Ägypten zwar nicht so viel zu bieten wie manch andere Länder im Nahen Osten, aber man sollte sich das neue Restaurant Zööba nicht entgehen lassen! Sie servieren hervorragenden Fuul (wie Hummus, aber mit Saubohnen) und Taameya (wie Falafel-Patties). Den Milchreis als Nachspeise sollte man sich keinesfalls entgehen lassen!
Wenn man etwas schnell unterwegs essen will, dann empfehle ich Koshary (Nudeln, Reis, Hummus und Linsen mit Tomatensoße), Fuul-Sandwich, etc.
Es empfiehlt sich eine Unterkunft im Stadtzentrum nahe einer Metrostation und der zentralen Busstation zu suchen. Ich war im Safary Hostel, was sich in einem älteren Gebäude zusammen mit 2 anderen Hostels befindet. Das Personal war nett, auch wenn die Ausstattung sehr bodenständig war. Direkt in der Straße befand sich aber ein kleiner Markt und Convenience Stores, sodass ich immer bestens versorgt war.
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